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Film Netter Dummbolzen

Die Steven-Spielberg-Produktion »Die Familie Feuerstein« ist der Sommerhit des Jahres - trotz seiner anarchistischen Botschaft.
aus DER SPIEGEL 29/1994

Es gibt einen, der glaubt noch an den amerikanischen Traum: »Wer etwas werden will, wird was«, ist sein Lebensmotto, und auch wenn seine Versuche, reich und berühmt zu werden, stets scheitern, bleibt sein Optimismus unerschüttert. Irgendwann, davon ist er überzeugt, wird er es schaffen, ganz oben zu sein.

So einer kann nur in der Steinzeit leben oder in den fünfziger Jahren, was, von heute aus betrachtet, auch schon Steinzeit ist. Denn wer im modernen Amerika Karriere machen will, der muß schon auf der richtigen Universität gewesen sein und die richtigen Freunde haben. Ehemalige Tellerwäscher oder Steinbrucharbeiter sind in den Vorstandsetagen selten.

Fred Feuerstein, so heißt der Mann, ist also nie reich geworden, aber er hat andere reich gemacht: 114 Millionen Dollar hat »Die Familie Feuerstein«, die am Donnerstag dieser Woche in Deutschland anläuft, in sechs Wochen in Amerika eingespielt. Und der Titelsong »The Flintstones«, gespielt von der Gruppe B-52's, schaffte es bis in die Hitparaden.

Die Zeichentrickserie »The Flintstones« von William Hanna und Joseph Barbera ist seit 35 Jahren ein Megaerfolg: Sie lief in 80 Ländern und 22 Sprachen, in Deutschland wird sie zur Zeit von Pro 7 wiederholt. Der Kinofilm, unter anderen von Steven Spielberg produziert, ist die Fortsetzung der Cartoons mit modernen Mitteln.

Die Feuersteins sind eine 45 Millionen Dollar teure Spielfilm-Produktion, die Brian Levant ("Ein Hund namens Beethoven") inszenierte und für die 32 Autoren und Gagschreiber Story und Dialoge entwickelten, welche vor allem aus Witzvariationen über das Wort »Stein« bestehen ("Hals und Steinbruch«, »Ich wollte schon immer ein echtes Lagerfels haben").

Liz Taylor hat (als Feuersteins Schwiegermutter) einen ihrer seltenen Filmauftritte. Puppentechniker der ehemaligen Jim-Henson-Firma ("Die Muppet-Show") und Computerprogrammierer des »Jurassic Park«-Teams schufen das lila Haustier Dino, den heimlichen Star des Films, und all die anderen nützlichen Tiere, die das Beste an dem sonst eher albernen als komischen Film sind.

Ein Vogel hält da als Tonabnehmer seinen Schnabel in die Rille der Schallplatte, den Rasen schneidet eine Riesenkrabbe, unter der Küchenspüle hockt als Müllschlucker ein grünes Hängebauchschwein, und ein Mammut sprüht das Duschwasser aus dem Rüssel.

Es sollte eben alles so sein, wie die Eltern, die nun ihre Kinder in die Kinos schleifen, es noch in Erinnerung haben von damals, als sie selbst die Fernsehserie sahen und die Comic-Heftchen kauften: Feuersteins und Geröllheimers sind die Durchschnittsfamilie der fünfziger Jahre, jener Steinzeit also, die von der Diktatur der abgestaubten Wohnzimmerschrankwand und der sauberen Moral geprägt war.

Der einzige Unterschied, den es zwischen dem Schauspieler John Goodman und der Cartoon-Figur Fred Feuerstein zu geben scheint, ist der Scheitel: Der sitzt bei Fred rechts und bei Goodman links. Ansonsten wären sie kaum auseinanderzuhalten.

Den finanziellen Erfolg des Kinofilms garantierte bereits seine Vermarktung: 45 Millionen Dollar brachte ein Deal mit McDonald's ein, der im Film RocDonald's heißt, in Bedrock ein Drive-in betreibt und in den USA nun seine McRibs mit den Feuersteins bewirbt. Weitere 100 Millionen nahmen die Produzenten an Lizenzgebühren für Vitaminpillen, Krawatten und sprechende Feuerstein-Puppen ein.

Dabei handelt der Film einzig und allein davon, was für ein Teufelszeug Geld in Wahrheit ist: Es macht nette Menschen zu widerlichen Angebern und Egomanen. Fred Feuerstein, der nette Dummbolzen, steigt mit Hilfe seines zwar etwas intelligenteren, aber ehrgeizlosen Freundes Barney Geröllheimer vom Steinbrucharbeiter zum Manager der Firma auf. Er wird - Geld verdirbt den Charakter - zu einem unausstehlichen Neureichen, der sogar seinen besten Freund verrät.

Wie zur Strafe fällt Fred einer Intrige zum Opfer, gesponnen von dem fiesen, geldgierigen Yuppie Cliff Vandercave, der aussieht wie ein Börsenmakler aus der Wall Street im Karnevalskostüm, und seiner mörderisch schönen Sekretärin Sharon Stone, die in der deutschen Fassung leider nur »Gisela Stein« heißt.

Industrieller Fortschritt und die mit ihm verbundene Technisierung sind böse, das ist die überraschend kapitalismusfeindliche Botschaft des Films. Denn der raffgierige Yuppie Vandercave plant die Hochrüstung des Steinbruchs: Maschinen sollen Arbeiter ersetzen und Fertighäuser produzieren, der Profit soll vervierfacht werden. Dabei gehörten Karriere und Gewinnmaximierung bisher zu den amerikanischen Idealen. Und nun stehen ausgerechnet Fred und Barney an der Spitze der Arbeiterbewegung, verlangen bezahlten Urlaub und Inflationszuschläge auf den Lohn.

Vielleicht, weil Reagan und die geldgeile Oberschicht in den Achtzigern so schamlos zugriffen und schließlich die Mittelschicht mit der Rezession alleine ließen, sind die Amerikaner mißtrauisch geworden gegenüber den großen Geschäften mit dem großen Geld. Und weil sie Angst haben vor den selbst geschaffenen Technologien der Zukunft, vor Computern, vor Information-Highways und Datenbanken, und sich deshalb die Steinzeit-Idylle der fünfziger Jahre zurückwünschen, ist dieser Anti-Fortschrittsfilm so erfolgreich.

»Die Steinzeit ist vorbei«, jubelt der Steinbruch-Besitzer Slate am Ende. Die amerikanischen Zuschauer wissen nur zu gut, daß er recht hat. Y

Fred und Barney an der Spitze der Arbeiterbewegung

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