JENS Nicht so rasch
Im Jahr 44 vor Christus, an den Iden (dem 15. Tag) des März, wurde der römische Diktator Gajus Julius Cäsar, 55, von Verschwörern erdolcht. Der Tübinger Professor Walter Jens. 46, zeigt den Fall des großen Cäsar jetzt in einem neuen Licht.
In einem Fernsehspiel, das der Regisseur Franz Josef Wild für den Bayerischen Rundfunk inszeniert hat und das am Sonntag dieser Woche gesendet wird, stirbt Cäsar sich sehr gelegen. Denn der Iden-Mord« so die Jens-Idee, war ein erwünschter Tod: Der Imperator, ein alternder Epileptiker« war des Lebens und Herrschens müde; »um der eigenen Unsterblichkeit willen« hat er »Die Verschwörung« -- so der Stück-Titel -- selbst inszeniert.
»Er wünschte sich einen schnellen und überraschenden Tod«, so hatte schon der Biograph Sueton von seinem Helden berichtet; der Historie entnahm Jens weitere Indizien für diese These:
* Dem perfekten Spitzel-System des Diktators konnte eine Verschwörung kaum verborgen bleiben;
* Servilia, die Mutter des Cäsaren-Attentäters Brutus, war Cäsars langjährige Geliebte und bis zuletzt seine Vertraute;
* am Tag des Attentats gab Cäsar seiner Leibgarde Urlaub.
»Der Tod im Bett ist nicht rasch«, argumentiert der alte Römer nun im Jens-Stück, »der Selbstmord bringt keinen Ruhm -- bleibt also der Mord. Das ist logisch, nicht wahr?«
Nicht ganz, natürlich. Und so will Jens seine »Verschwörung« als »abstraktes Denkspiel« verstanden wissen und nicht als »wissenschaftliche Hypothese« -- die Optik hilft dabei: Jensens Cäsar (Hannes Messemer) verharrt und monologisiert meist in einem gleißenden Niemandsland.
Er disputiert mit einem unsichtbaren Brutus. Mit Antonius, der ihm die Leichenrede halten soll, probt er Nachruf-Finessen: »Du mußt viel langsamer sprechen und feierlicher.«
Jens, der als »Momos« in der »Zelt« TV-Kritiken schreibt, hat ein Faible für historische Science-fiction. Vor drei Jahren brachte er schon das blutige Ende der Rosa Luxemburg vor ein fiktives Fernsehgericht ("Die Rote Rosa"). Doch während er die Spartakistin zur mythischen Figur erhöhte, will er den Römer entlarven.
Der Jenssche Cäsar ist ein Zyniker, der eine Anti-Cäsar-Revolution nur anzettelt, um mit Glanz und Gloria zu sterben. »Ich wünsche«, sagt er, »daß die Menschen glauben, ich sei in jenem Augenblick ermordet worden, da ich mich anschickte, die Welt für immer zu ordnen.«
Bezüge zur jüngsten deutschen Vergangenheit sind nicht zufällig. Auch Hitler, sagt Jens, könnte Cäsar ähneln -- »wenn er sich bereits 1940 umgebracht hätte«.