Noah Gordon, 95

Andreu Dalmau / epa
Seine jüdisch-orthodoxen Eltern waren als Einwanderer aus Weißrussland in die USA gekommen. Sie seien versessen darauf gewesen, so hat er es dem SPIEGEL einmal erzählt, dass ihr Sohn Medizin studiere. Ärzte seien in ihrem Umfeld einfach die einzigen Juden gewesen, die einen gewissen Respekt genossen. »Meine jüdischen Eltern wussten, was es bedeutet, machtlos und verfolgt zu sein.« Noah Gordon aber war versessen darauf zu schreiben. Er brach sein Medizinstudium ab, studierte Journalismus, dann Creative Writing. Er wurde Wissenschaftsredakteur, dann Schriftsteller. Und hatte seinen internationalen Durchbruch mit einem Roman, der im Original »The Physician« heißt, wörtlich übersetzt: »Der Arzt«. Gordon war da schon über 60 Jahre alt. In den USA hatte die Geschichte des englischen Waisenknaben Rob Cole, der sich im elften Jahrhundert als Jude ausgibt und zum modernsten Mediziner seiner Zeit wird, nicht einmal 10.000 Leser gefunden. Ein Ladenhüter. Dann kam der Zufall ins Spiel – und der Verleger Karl Blessing aus Deutschland, dem der Roman bei einer USA-Reise in die Hände fiel. Blessing verliebte sich in die Story, gab der Übersetzung den mystischen Titel »Der Medicus« und schickte sie als kostenloses Leseexemplar an 5000 Buchhändler. Der Lohn: über acht Millionen verkaufte Exemplare. Auch die Folgeromane »Der Schamane« und »Die Erben des Medicus« wurden große Erfolge. Bis ins hohe Alter war Gordon in Europa ein Star, aber in seiner Heimat allenfalls mäßig bekannt. Das mag seine Bescheidenheit genährt haben: »Ich schreibe weder für Kritiker noch für Käufer, sondern für mich selbst«, sagte er dem SPIEGEL. Noah Gordon verstarb am 22. November.