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VERLAGE Noch schlampiger

Um Gregor von Rezzoris »Memoiren eines Antisemiten« streiten sich zwei Verlage -- maghrebinische Händel vor einem Münchner Gericht.
aus DER SPIEGEL 22/1979

Der Buchtitel und der Name des Autors versprechen Umsatz. Die »Memoiren eines Antisemiten«, vor über zehn Jahren schon in Englisch geschrieben und im US-Magazin »The New Yorker« als Kurzgeschichte veröffentlicht, sollen noch in diesem Jahr Verlagsumsätze machen, solange Verfasser Gregor von Rezzori wieder einmal mit seinen »Maghrebinischen Geschichten« über Deutschlands Bildschirme flimmert und »Holocaust« noch nicht vergessen ist. Die Frage ist nur, für welchen Verlag, und darüber entscheiden sollen die Gerichte.

Letzten Dienstag trafen vor dem Landgericht München 1 die Kontrahenten wieder einmal aufeinander: Gerhard Beckmann, Chef des zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Verlags Steinhausen, und Herbert Fleissner, zu dessen Verlagsgruppe so bekannte Unternehmen wie Langen-Müller und Herbig gehören.

Schon im Januar hatte Fleissner dem Steinhausen-Verlag per einstweiliger Verfügung (EV) und unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 50 000 Mark die Veröffentlichung der Antisemiten-Memoiren untersagen lassen. Doch Beckmann hatte einen gültigen Vertrag mit Rezzori, wie möglicherweise auch Fleissner, und beide konnten beweisen, daß der 65jährige Autor auch schon Vorschüsse erhalten hatte: von Beckmann 30 000, von Fleissner 15 000 Mark. Wofür, das stand allerdings nicht so genau fest.

Und als Beckmann und Rezzori in der Berufung gegen die einstweilige Verfügung nachweisen konnten, daß Fleissners engster Mitarbeiter Georg Lentz bei der ersten Verhandlung im Zeugenstand falsch ausgesagt hatte. war die EV schnell vom Tisch -- doch Fleissner, in der Buchbranche als prozeßfreudig bekannt, ging weiter vors Gericht.

Klar war: Rezzori hatte im April letzten Jahres mit Fleissner und Lentz. der ihn einst als Morgengabe von Bertelsmann zu Fleissner mitgebracht hatte (Rezzori: »Er hat mich damals damit geködert, daß die mein Gesamtwerk herausbringen würden"), einen Band mit Erzählungen verabredet, Titel: »In gehobenen Kreisen«. Der Maghrebinier übergab damals in seinem Haus im toskanischen Donnini den beiden Münchnern einen Packen Geschichten, darunter vielleicht auch, als Ausriß aus dem »New Yorker«, die »Memoiren eines Antisemiten«. Am 9. Mai 1978 schließlich wurde der Vertrag in München geschlossen -- in der Wohnung von Rezzoris Gefährtin Sibylle Klein, die später kurzfristig zur Justitiarin bei Fleissner avancierte.

»Damit wir Rezzori einen weiteren Vorschuß auszahlen konnten«, so Lentz, wurde im Juni noch ein Vertrag geschlossen, es sollte wieder ein Geschichtenband werden, diesmal unter dem Titel »Große Erzählungen«. Indessen aber war Rezzori ("Der Fleissner liest die Bücher, die er macht, nicht einmal, und ist noch schlampiger als die bei Bertelsmann") mit Beckmann einig geworden, die »Memoiren eines Antisemiten« um weitere Geschichten anzureichern und daraus einen Roman in fünf Episoden zu machen. Als der Steinhausen-Verlag den bestsellerträchtigen Titel dem Buchhandel avisierte, ließ Fleissner laut Rezzori »mich wissen, daß er rachsüchtig sei«.

Und so scheint es auch. Denn Fleissner baut seine Ansprüche auf einen »Spickzettel« (Rezzori), auf dem in roter und schwarzer Handschrift von Lentz und Rezzori ein Titelkatalog vermerkt ist, darunter auch »Denkwürdiges eines Antis.-» -- für Fleissner und Lentz ein Beiblatt zum Vertrag, für Rezzori ein Stück Schmierpapier, auf dem zudem der Antisemiten-Titel als einer von denen vermerkt sei, »die nicht in den Erzählungen-Band sollten«.

Fleissners Position wurde durch die nachweislich falschen Lentz-Aussagen (Lentz: »Die wurden mir durch einen Zwischenruf suggeriert") geschwächt. Andererseits wußte auch Rezzori nun im Hauptsacheverfahren »ganz präzise, daß die »Memoiren eines Antisemiten' nicht unter den Geschichten waren, die ich in Donnini den Herren Fleissner und Lentz übergehen habe«, während er im ersten Verfahren noch »sicher wußte«, sie seien dabeigewesen.

»So ist's, wenn ein Maghrebinier unverhofft auf einen anderen trifft« meinte letzte Woche ein Prozeßbeobachter. Die drei höchst souveränen und gelegentlich amüsierten Münchner Richter wollen bis 13. Juli beraten und dann für ihre Instanz entscheiden, wer die Erzählung haben darf.

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