Nordischer Gott
Anne Morrow Lindbergh, die Frau des Ozeanfliegers, hat vor siebzehn Jahren Lebenslehren am Strand gesammelt und später in alle Welt verkauft. Allein die deutsche Übersetzung ("Muscheln in meiner Hand") ist 300 000mal weggegangen.
Jetzt zeigt die Autorin ihre Dokumente aus den zwanziger Jahren vor: Tagebuchblätter, Familienbriefe. Die junge Anne war auf herkömmliche Art belesen, schwärmerisch und strebsam, doch sie neigte schon -- wohl eher als die beiden Schwestern und die Schulgefährtinnen -- zum Abfassen von eigenen Weisheiten: »Die Menschen wollen gar nicht verstanden werden -- ich meine nicht restlos. Das ist zu vernichtend für sie.« Das Kind aus reichem, angesehenem Haus -- der Vater war Bankier und zeitweise als Botschafter der USA in Mexiko -- darf sich auf vielen Reisen und bei immer neuen Tees und Diners mal unterhalten, mal langweilen. Die Liebesgeschichte, die jene Ausgrabung rechtfertigen müßte, wirkt nicht nur rührend brav, sondern auch zu bescheiden. Der künftige Gatte Lindbergh, schon als Massen-Idol hin- und hergejagt, war für Anne Morrow anfangs »der nordische Gott«, später nur »einfach sehr nett«, ja: »ein Schatz«.