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BÜCHER Original mit Koffer

Beat Brechbühl: »Kneuss«. Diogenes; 352 Seiten; 19,80 Mark.
aus DER SPIEGEL 47/1970

Beat Brechbühl, 31, Schweizer und »ansonsten Nicht-Mitglied aller Arten von Parteien, Verbänden, Zirkeln, Klubs, Vereinen o. ä.« (Klappentext), ist mit seinem Roman »Kneuss« die als diesjährige Zugnummer annoncierte Hoffnung des Zürcher Diogenes-Verlags. Parole: Es wird wieder erzählt.

Als dezidiertes Nicht-Mitglied zu origineller Einzelgängerschaft verurteilt, tut Brechbühl sich schwer mit der Geschichte eines einzelgängerischen Originals: Basil Kneuss ("Nein, kein Künstler"), Nicht-Mitglied, Mädchenverbraucher, Hundefreund, Kofferbesitzer. Der Koffer heißt Klemens, hat vier kleine Gummiräder und begleitet Kneuss auf allen seinen Wegen. Kneuss: »Meinetwegen nackt, aber mit Koffer.«

Abgesehen von dieser befremdlichen Eigenheit ist Brechbühls Held absolut harmlos -- solange er nicht gereizt wird. Gerade das aber geschieht. Verdächtige Figuren stellen ihm nach, bedrohen sein Leben und töten seinen Hund.

Da wird Kneuss, das harmlose Original, zum reißenden Wolf. Wie es scheint, war er es, der den einstigen Freund und jetzigen Auftraggeber der Hundekiller, Eugen Schnaffelmann, umgebracht hat. Jedenfalls bezichtigt sich Kneuss am Schluß des Buches dieser Tat.

Schnaffelmann, Druckereibesitzer, verdankte seinen sensationellen geschäftlichen Aufstieg der Tatsache, daß er seine homosexuelle Veranlagung zum Sammeln von kompromittierenden Photos zu nutzen verstand, mit der er die gute schweizerische Gesellschaft in der Hand hat. Doch seine Macht steigt ihm zu Kopfe, und so glaubt er, auch den alten Freund Kneuss einkaufen zu können -- fataler Irrtum: Ein Original mit Koffer läßt sich eben nicht kaufen.

Moral des etwas hausbackenen Erzählwerks: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben ... und so weiter.

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