Oscars 2022 Was Sie vor der Verleihung wissen müssen

Ariana DeBose in »West Side Story«: Diese Oscars werden eine große Feier der Diversität
Foto: Niko Tavernise / imago images/Prod.DBDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Champion Campion?
Jane Campion ist die erste Frau in der Geschichte der Oscars, die zum zweiten Mal für die beste Regie nominiert wurde. Im März 1994 war sie mit »Das Piano« im Rennen, verlor jedoch gegen Steven Spielberg (für »Schindlers Liste«) und musste sich mit der Trophäe für das beste Drehbuch begnügen.

1994 verlor Jane Campion gegen Steven Spielberg – gewinnt sie diesmal?
Foto: Michael Kovac / Getty ImagesZwar sorgte sie vor einigen Wochen mit der Äußerung für Unmut, die Tennis-Schwestern Venus und Serena Williams hätten im Gegensatz zu ihr nie gegen Männer antreten müssen. Dennoch gilt ihr Western »The Power of the Dog« als Favorit. Er führt das Feld mit zwölf Nominierungen an, wenn es für die Neuseeländerin perfekt läuft, darf sie dreimal auf die Bühne – nämlich auch noch als Drehbuchautorin und Produzentin.
Denzel gegen Will
Man mag es kaum glauben, aber Denzel Washington wurde tatsächlich in fünf verschiedenen Jahrzehnten für den Oscar nominiert, das erste Mal 1988 für die Darstellung des politischen Aktivisten Steve Biko in Richard Attenboroughs Apartheidsdrama »Cry Freedom – Schrei nach Freiheit«.

Rekordhalter Washington: In fünf verschiedenen Jahrzehnten für die Oscars nominiert
Foto: Alison Rosa / APZwei Jahre später gewann er als bester Nebendarsteller in dem Bürgerkriegsepos »Glory«. Nun geht der inzwischen 67-jährige mit Joel Coens Shakespeare-Adaption »Macbeth« ins Rennen. Aber die Nase vorn könnte am Ende Will Smith haben, der als ebenso nerviger wie liebenswerter Übervater von Venus und Serena Williams in »King Richard« brilliert.
Say gay!
Ein umstrittenes Gesetz, das Lehrern in Florida die Thematisierung von Homosexualität im Unterricht untersagt, sorgt auch bei Hollywoodstars gerade für Protest. Sogar im Disney-Konzern hat es heftige Erschütterungen ausgelöst. Umso wichtiger, dass mit Ariana DeBose und Kristen Stewart zwei Schauspielerinnen nominiert sind, die sich offen als queer bezeichnen. DeBose scheint mit ihrer großartigen Leistung in »West Side Story« sehr gute Chancen als beste Nebendarstellerin zu haben, dass Stewarts herausragende Lady-Di-Interpretation in »Spencer« in der Hauptrollenkategorie gewürdigt wird, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Wo bleibt Rita?
Da hat sich die Academy aber einen echten Coup entgehen lassen, einen todsicheren Beifallssturm und nicht enden wollende Standing Ovations. Rita Moreno, die vor genau 60 Jahren für die Darstellung der Anita in der Erstverfilmung der »West Side Story« als erste Latina einen Oscar erhielt, wurde in der Rolle einer weisen Dame in der Neuverfilmung nicht mal nominiert.

Moreno in Spielbergs »West Side Story«-Version: Guter Geist im Bandenkrieg
Foto: Twentieth Century Studios / IMAGO / ZUMA WireMoreno, im Dezember 90 geworden, hätte alle Altersrekorde geschlagen, nie waren für einen Oscar nominierte Schauspieler oder Schauspielerinnen älter. Sie habe nicht gedacht, dass sie ein Star werden könnte, so Moreno. Alle hätten sie nur für ein »puerto-ricanisches Kind« gehalten. Es wäre sehr verwunderlich, würde sie bei der Oscarshow nicht doch irgendwann auf der Bühne erscheinen.
Der Loser trägt Gucci
Für viele war es unverständlich, für manche gar ein Schock: nur eine Nominierung für Ridley Scotts Eine-Frau-geht-über-ziemlich-gut-gekleidete-Leichen-Epos »House of Gucci« . Diese gibt es allerdings in einer Kategorie, die zur Modewelt passt, nämlich für das beste Make-up und Hairstyling.

Von der eigenen Frisur in den Schatten gestellt: Lady Gaga in »House of Gucci«
Foto:Universal Pictures
Was aber ist mit Lady Gaga, die sich für die weibliche Hauptrolle mühsam einen italienischen Akzent draufschaffte? Und was mit Jared Leto, der im Film sogar in Großaufnahme dermaßen hyperventiliert, als würde er auf einer Opernbühne stehen und noch die hinterste Reihe wegpusten wollen? Auch Regie-Oldie Scott, 84, wurde übergangen. Gucci muss die mangelnde Präsenz auf der Bühne wohl auf dem roten Teppich wettmachen.

Kenneth Branagh: Der Mann, der alles kann – fast alles
Foto: HENRY NICHOLLS / REUTERSHollywoods Multitasker oder die magische Sieben
Kenneth Branagh, dessen teilweise autobiografischer Film »Belfast« siebenmal gewinnen könnte, ist nun der einzige Künstler in der Geschichte der Oscars, der in sieben verschiedenen Kategorien nominiert wurde: als bester Regisseur, bester Hauptdarsteller und für das beste adaptierte Drehbuch (alles für »Henry V.«), als bester Nebendarsteller (»My Week with Marilyn«), für den besten Kurzfilm (»Swan Song«) sowie für das beste Originaldrehbuch und den besten Film (beides für »Belfast«.) Aber natürlich braucht ein Mann, der erst 61 ist, noch Ziele. Vielleicht sollte Branagh mal bei den Kostümbildnerinnen in die Lehre gehen.
Spiel, Satz und Sieg für Miranda?
In der Tenniswelt gibt es vier Grand-Slam-Turniere, und nur wenigen Spielerinnen und Spielern gelang es, in einem Jahr alle zu gewinnen. In der US-Unterhaltungsindustrie gibt es hierzu ein Pendant, EGOT genannt. Die Abkürzung steht für Emmy, Grammy, Oscar und den Tony. Lin-Manuel Miranda, der für seinen Song »Dos Oruguitas« in Disneys »Encanto« nominiert ist, kann es schaffen.

Trophäensammler Miranda: Alles abräumen, was man abräumen kann
Foto: CAROLINE BREHMAN / EPADer 42-Jährige hat schon eine beachtliche Trophäensammlung, dazu gehören ein Pulitzerpreis, drei Tonys und drei Grammys. Der EGOT-Durchmarsch wäre gar nicht so überraschend, auch Whoopi Goldberg, Rita Moreno und Mel Brooks haben das schon geschafft.
Brillant auch ohne Worte
Wer sich noch erinnern kann, wird sofort wieder gerührt sein: 1987 bekam Marlee Matlin, die damals gerade 21 Jahre alt war, für ihre Leistung in dem Film »Gottes vergessene Kinder« als erste gehörlose Schauspielerin einen Oscar und hielt ihre Dankesrede, ohne ein Wort zu sprechen: in Gebärdensprache. Der kürzlich verstorbene William Hurt, ihr Leinwandpartner in dem Film, hatte kurz zuvor den Umschlag mit ihrem Namen geöffnet. In dem Apple-TV+-Film »Coda« spielt sie die Frau von Frank Rossi, einem tauben Fischer, der von Troy Kotsur verkörpert wird.

Schauspieler Kotsur: Als bester Nebendarsteller hoch gehandelt
Foto: MICHAEL TRAN / AFPEr ist der erste taube Schauspieler, der als bester männlicher Nebendarsteller nominiert wurde. Im Zeitalter der Inklusion wird die Academy wissen wollen, was er uns mitzuteilen hat. Insgesamt liegt »Coda« in den Prognosen sehr weit vorn. So oder so wäre es ein Riesending, wenn erstmals ein Streamer den Oscar für den besten Film einsacken würde.

Kunststück aus Dänemark: Nominierter Film »Flee«
Foto: FinalCutForRealImmer wieder diese Dänen
Dass dänisches Kino ziemlich experimentell und innovativ sein kann, ist spätestens seit Lars von Triers ersten Werken und der Dogma-Bewegung keine Neuigkeit mehr. Doch einen Film zu drehen, der als bester Dokumentar- und Animationsfilm und dann noch als bester internationaler Film nominiert wird, ist ein Kunststück. Dem 40-jährigen Regisseur Jonas Poher Rasmussen ist dies mit »Flee« gelungen, der Geschichte eines homosexuellen Afghanen, der vor vielen Jahren nach Dänemark kam. Wer sich die Zeit bis zu den Oscars vertreiben will, kann ja mal die Preise zählen, die der Film seit seiner Premiere Ende Januar 2021 in Sundance schon gewonnen hat.

Nominiertes Paar Bardem, Cruz: Oscars sind Familiensache
Foto: CAROLINE BREHMAN / EPAParallele Paare
2022 ist bei den Oscars das Jahr der Paare: Zum ersten Mal sind zwei Paare in allen vier Schauspielkategorien nominiert: Kirsten Dunst (für »The Power of the Dog«) und ihr Lebenspartner Jesse Plemons für denselben Film, beide als Nebendarsteller. Zudem das spanische Traumpaar Penélope Cruz & Javier Bardem, sie für »Parallele Mütter«, er für »Being the Ricardos«. Und das Tollste ist: Alle können gewinnen, zusammen feiern und sich einen schönen Abend machen, indem sie zusammen »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?« aufführen, Edward Albees Theaterstück über einen Vier-Personen-Beziehungskrieg.