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KOCHBÜCHER Partys mit Tanten

Nach den Profi-Köchen sind nun auch die privaten Gastgeberinnen darauf gekommen: Schlicht ist schick.
aus DER SPIEGEL 36/1977

Der Tip stammt aus dem New Yorker Kunstbetrieb, und zwar da, wo er seine berühmtesten Diners zelebriert: »Einfache Gerichte wie gekochtes Huhn oder Rind«, erläutert eine kochprominente Priscilla, »sind wundervolle Überraschungen.« Weiterer Vorzug: »Man braucht dafür nicht viele Töpfe.«

Und Carl Jerome, unverheirateter Direktor einer Kochschule« hat privat besten Erfolg mit einem Menu, das nur aus einer kräftigen dicken Minestrone-Gemüsesuppe, Brot und Käse besteht.

Zum Schluß serviert er allerdings noch eine große Schokoladentorte. Und er warnt: »Man muß den Geladenen vorher sagen, daß die Suppe alles ist für den Abend, sonst stochern sie in der Suppe nur herum.«

Nachdem Küchen-Päpste und Suppen-Stars wie Bocuse, Guerard, Troisgros ihre Kochgeheimnisse in teuren Büchern offenbart haben, machen jetzt die Veranstalterinnen von häuslicher Gastlichkeit ihre Rezepte publik.

Das New Yorker Kaufhaus Bloomingdale hat in einem illustrierten Band die kulinarischen Tips von 25 bekannten Gastgebern gebündelt; in London erschienen über 400 Rezepte der früheren »Vogue«-Redakteurin Lady Pamela Harlech, nach denen sie eigenhändig im feinen Westen oder auf ihrem Landsitz ihre Gäste bekocht; in Österreich preist eine Baronin Marietheres Waldbott die burgenländischen Nockerln und Fleckerles, die sie dort auf ihrem Gut auftischt*.

Alle, die da aus der Küche plaudern, sind Mitte 40 und gute Köchinnen. Das Essen, so lautet ihre gemeinsame Devise, muß ohne großen Aufwand bequem herzustellen sein. So begnügen sich die

* »The Bloomingdale's Book of Entertaining«. Verlag Random House. New York; 208 Seiten; 10 Dollar. -- Pamela Harlech: »Feast without Fuss« Verlag Jonathan Cape, London; 324 Seiten; 6,50 Pfund. -- Marietheres Waldbott: »Burgenländisches Kochbuch": Edition Roetzer, Eisenstadt; 192 Seiten; 160 Schilling.

meisten mit Vor-, Haupt- und Nachspeise.

Trotzdem wollen die Damen natürlich nicht alles missen, was heute Luxus ist. So schwärmen sie von selbstgebackenem Brot und »zarten Keksen auf ofenwarmen Blechen«.

Eine New Yorker Amateurköchin aus dem Modegewerbe, voller Abneigung gegen das derzeit grassierende »Schi-Schi in Blätterteigkruste«, serviert als ihr Stammgericht ein Lamm-Ragout, das ihre Gäste sich selbst in der Küche aus den Töpfen schöpfen müssen. Der Butler räumt derweil die Suppentassen ab.

Lady Pamela empfiehlt, sich bei jedem Gastmahl mit einem Gang besondere Mühe zu geben -- sei es mit Kalbsfricassee oder dem Rumtopf für den Nachtisch -- und dies zur Spezialität des Hauses zu erheben. Mit einem kleinen Repertoire solcher Spezialitäten schon könne man einen Ruf als »Super-Wirt« erlangen. Der Lady Lieblingsessen ist zur Zeit Ente, in Honig, Butter und Zitronensaft geröstet. Doch begnügt man sich vielerorts jetzt auch mit einem phantasievollen Salatgemisch aus Kopfsalat, Kresse, Spinat, Rapunzeln und Endivien.

Magergerichte beleidigen die Gästetafeln der Amateure offenbar nie. Die New Yorker Eß-Kritikerin Gael Greene traktiert ihre Gäste vornehmlich mit »sinful food": mit Bandnudeln in sahniger Soße, mit Butter und Käse und danach noch einer machtvollen Schaumspeise. Die Gutsherrin Marietheres gesteht: »Daß die Mehlspeise als dickmachend verpönt ist, hat sich im Burgenland noch nicht herumgesprochen.«

Die Baronin beköstigt ihre Gäste zum Schlachtfest mit selbstgekochter Blutwurst und bei der Jagd mit heißer Gulyas-Suppe. Nach einem Erntetag wartet sie mit »Spanferkel aus Zumdorf« auf. Dazu wickelt man »die Ohren und das Schwänzchen in Papier, setzt das Ferkel auf ein Blech und bestreicht es häufig mit in Wein getauchten Speckstückchen«.

So einfach wie das Essen wird nun auch die Auswahl der Gäste. Geschäftspartner und Geschäftsgespräche an der häuslichen Schlicht-Tafel sind in besseren Kreisen verpönt.

Dafür werden jetzt Altersgruppen und Milieus gemischt. Selbst Onkel und Tanten sind nun bei Partys willkommen. »Freunde und Verwandte zu mischen«, behauptet ein gastfreier New Yorker Verleger, »gibt einer Party einen gewissen Charme.« Na ja.

Gewiefte Gastgeberinnen versäumen nie, ein paar schöne, alleinstehende Frauen einzuladen. »Eifersüchtige Ehefrauen«, so begründet die erfahrene Priscilla, »geben jeder Gesellschaft gewisse Impulse.« Die Kritikerin Gael hetzt bei Partys flotte verheiratete Freunde auf gerade wieder ledig gewordene Damen, allein schon, um »die Möglichkeit von Intrigen zu erhöhen«. ·

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