BÜCHER Passion in Grün
Conor Larkin ist eine irische Wucht: Baumstark, treu und trinkfest. ein Dichter und Bauer, ein feinsinniger Kunstschmied und unübertrefflicher Rugbyspieler, von schönen Frauen geliebt, von rauhen Männern verehrt, von der Übermacht böser Feinde gefürchtet, so geht er ungebeugt seinen Weg.
Er geht ihn zerschlagen und geschunden, durch Hungersnot, Elend und blutige Massaker, als heroischer Rebell und Märtyrer im Kampf gegen das perfide England. Denn Conor Larkin, fast so überdimensional wie ein gälischer Sagenheld, ist nicht nur ein Pfundskerl, er soll offenbar auch so etwas wie eine Symbolgestalt der jahrhundertealten und bis heute fortdauernden irischen Tragödie darstellen.
Die großen Trauerspiele der jüngeren Geschichte, zumal die seines jüdischen Volkes, haben den US-Amerikaner Uns nun schon zu etlichen Wälzern angeregt, etwa über die Gründung des Staates Israel ("Exodus"), den Aufstand im Warschauer Getto ("Mila 18"), die Greuel im Nazi-KZ ("QB VII"). Sie brachten ihm, da packend und handlungsstark, stets höchste Bestseiler-Notierungen, zugleich aber, da arm im Stil und reich an Schmalz und Schmonzes, unweigerlich rüde Kritik ein.
Auch in seiner weitverschlungenen Chronik dreier Familien in Nordirland -- sie beginnt tief im 19. Jahrhundert und endet ziemlich abrupt kurz vorm Osteraufstand-Desaster von 1916 -- verfährt Uns ganz nach alter Manier: Mit Pfiff und langem Atem transportiert er eine detailgewaltige Fracht an historischer Information durch endlose Sümpfe von Sentimentalitäten und bewährt sich dabei wie immer als Meister plakativer Versimpelung.
Das allerdings scheint diesem Thema bisweilen so angemessen wie der grobe Keil dem groben Klotz -- schließlich vollzog sich ja Irlands Geschick nicht erst seit den Schurkereien Oliver Cromwells (1599 bis 1658) auch stets stur nach dem gleichen simplen Muster: Die anglo-irische Aristokratie räuberte und plünderte das Land aus, die Paddys, soweit sie ihr Heil nicht in der Emigration suchten, versanken im Morast von Armut, Suff, Ignoranz und Gefühlsduselei, bis sie sich wieder einmal gegen ihre Herren erhoben und im eigenen Blut ertranken.
Uns, der für sein Epos, wie er sagt, einen Schnellkurs in irischer Geschichte absolviert hat, läßt keinen Zweifel daran, mit wem er sympathisiert: Es sind die Ur- und Ururgroßväter der Provisional IRA unserer Tage, die Männer von der Irisch-Republikanischen Bruderschaft, die für nationale Selbständigkeit auch in Ulster agitierten und rebellierten, während die Unionisten, nicht minder militant, Nordirland weiterhin für die britische Krone beanspruchten.
Damals, so will Uns belehren, wurde die Saat der Gewalt gesät, deren blutige Früchte noch heute in Derry und Belfast geerntet werden. Damals, zu Beginn der Eisenbahn- und Dampfschiff-Ära, formierten sich in Ulster, industriestärker zumindest als die restlichen drei irischen Provinzen, die Fronten fanatisierter Katholiken und Protestanten wieder einmal zum Religionskrieg -- und dies, klagt Uns, einzig und allein zum Wohl einer ausbeutungsgierigen Oberschicht.
Uns, offensichtlich beschwingt von den »Flügeln keltischer Phantasie«, hat diese Passion in Grün mit einem gewaltigen Auftrieb von Personen, mit viel Folklore und Lokalkolorit, mit Melodramatik und Knalleffekt in Szene gesetzt.
Er beschreibt das Tretmühlen-Dasein gebeutelter Pachtbauern und die Slum-Existenz Belfaster Werft-Arbeiter, die Furcht und Zittern erregende Macht katholischer Dorfpriester wie den lynchenden Pöbel aufgewiegelter Protestanten, den Zynismus der Grundherren und Wirtschaftskapitäne, die Heuchelei englischer Richter und Politiker, den ganzen irischen Wahn von Unterdrückung, Aufruhr, Brandstiftung und Mord.
Und fast immer, fast allgegenwärtig wie das fleischgewordene Irland, ist dabei auch sein sagenhafter Conor Larkin zur Stelle, der alles am eigenen Leib erdulden muß -- nichts, weder Emigration noch Kerker und sinnloser Heldentod, bleibt ihm erspart.
Conor Larkin, kein Zweifel, ist als Figur so haarsträubend unglaubwürdig wie vieles andere im Buch. Und dennoch, auch bei aller Red- und Rührseligkeit, wirkt dieser Unterhaltungsroman zugleich wie ein sozial-realistisches Lehrbuch von imposanter Überzeugungskraft. Gunar Ortlepp