Zur Ausgabe
Artikel 75 / 86

Film Patrioten im Tresor

aus DER SPIEGEL 11/1972

Todesmelodie (Italien, Farbe). Sein »Lied vom Tod« ist noch nicht verklungen, schon hat der Western-Regisseur Sergio Leone einen neuen Trauer-Marsch komponiert. Es ist der lange Marsch durch die Revolution.

»Die Revolution«, so läßt er mit den Worten Maos vor Handlungsbeginn verkünden, »ist kein Galadiner, auch kein literarisches Fest ... Die Revolution ist ein Akt der Gewalt.«

Mit eigenen Worten ("Wo Revolution ist, da ist auch Konfusion") erläutert er sodann, daß zwar jeder verwegene Einfaltspinsel unter bestimmten Voraussetzungen zum Revolutionär avanciert« die Verhältnisse im Land -- hier Mexiko um 1913 -- jedoch stets die alten bleiben.

Den Beweis (nach Leones Drehbuch) soll ein liebenswert vitaler Huren-Sohn liefern, der mit seinen sechs Söhnen ("Jeder von einer anderen Mutter") Postkutschen überfällt und nur vom großen Bankraub in der Garnison Mesa Verde faselt.

Dieser Juan (Rod Steiger) betritt tatsächlich eines Tages die Bank mit seiner Pistole. Aber statt der (längst fortgeschafften) Reichtümer findet und befreit er 320 in den Stahlkammern gefangene Patrioten -- eine revolutionäre Tat wider Willen und nicht seine letzte. Unpolitisch, zornig und tapfer verteidigt er eine Brücke mit dem MG gegen Panzer, erschießt einen tyrannischen Gouverneur und kommt vor lauter Revolution zu keinem Kapitalverbrechen.

Dramaturgisches Gegenstück und Leones Sprachrohr ist Juans Freund John (James Coburn), ein irischer Sprengmeister. Er kennt die Revolution, war in der Heimat ein Rebell und verabscheut deshalb ihr Chaos und ihre Verräter. Dennoch macht er auch in Mexiko wieder mit: »Vor die Wahl gestellt zwischen dem Beruf eines Räubers und dem eines Revolutionärs, wähle ich denjenigen, den ich auszufüllen weiß.« John, ein illusionsloser Kämpfer à la Hemingway, erledigt den ungeliebten Job dann bis zum standesgemäßen Heldentod -- angeschossen fliegt der Dynamitexperte mit einem explodierenden Munitionswaggon in die Luft.

Unmotivierter Verschleiß an Pulver, Blei, Musik und Statisten, dazu viele manieristische Kamerafaxen machen Leones schlicht gemeinte Revolutionsparabel schließlich doch noch zum brutalen Spektakel, dem man ansieht, daß es 3,5 Millionen Dollar gekostet hat.

Zur Ausgabe
Artikel 75 / 86
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren