Verstorbener Fotograf Peter Beard Dokumentar der Weltselbstzerstörung

Peter Beard fotografierte Models und Wildtiere, seine Bilder zeigen Alltägliches neben der Katastrophe. Ein Bildband versammelt Fotos, Collagen und Tagebuchseiten des Künstlers, der im Februar starb.
Heimlich fing Beard mit seiner Kamera das Massensterben der Elefanten im Tsavo-Nationalpark in Kenia ein

Heimlich fing Beard mit seiner Kamera das Massensterben der Elefanten im Tsavo-Nationalpark in Kenia ein

Foto:

Krause & Johansen/ Peter Beard/ Taschen

Auf Peter Beards Tagebuchseiten aus dem Jahr 1960 steht eine Definition der Weltgeschichte: "Just one Goddamn thing after another", einfach eine gottverdammte Sache nach der anderen.

Ahnte er da schon, dass seine Geschichte anders verlaufen würde?

Dass der vor Kurzem im Alter von 82 Jahren verstorbene Fotograf Peter Beard jedenfalls kein Fan einer gradlinigen, eintönigen Erzählung gewesen sein dürfte, kann man in seinen Tagebüchern nachlesen. Man sieht es an seiner Kunst. Und an seinem Leben, in dem sich Stränge kreuzten, die einander in den meisten Leben nicht tangieren.

Peter Beard kam 1938 in New York zur Welt, als Sohn einer reichen Familie. Er studierte Kunstgeschichte und arbeitete als Modefotograf; "die Modewelt" war ihm allerdings "zu affektiert", wie er dem SPIEGEL mal sagte. Und doch wurde er Teil des Jetsets, damals, als man noch Jetset sagte. Tanzte im Studio 54, begleitete die Rolling Stones auf Tour, traf sich mit Leuten, die nunmehr in Geschichtsbüchern stehen: Jackie Onassis, Truman Capote, Andy Warhol. Das ist der eine Strang.

Der andere Strang führte ihn früh weg aus New York. Als 17-Jähriger reiste er zum ersten Mal nach Südafrika. Er war inspiriert von "Out of Africa", einem Roman der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen. Im kenianischen Tsavo-Nationalpark fing er mit seiner Kamera heimlich das Massensterben der Elefanten ein. "The End of the Game", der Band mit den toten Elefanten, machte Beard berühmt.

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Kunst aus Fotos, Zeitungsschnipseln und Notizen

Foto: Krause & Johansen/ Peter Beard/ Taschen

Anfang der Sechzigerjahre entschied er sich, in Kenia zu bleiben. Erst in den Achtzigern zog er zurück nach New York. Die Stränge wurden ein Knäuel.

Von diesem Knäuel berichtet der kürzlich im Taschen-Verlag erschienene, schwere Band, in dem sich Fotos, Collagen und Tagebuchseiten im Großformat aneinanderfügen. "Anarchie, Rebellion, Krieg, Seuchen, ein verrückter Cowboy, historisches Mittelmaß, Verrat und Schande", schreibt Peter Beard im Vorwort. "Lasst uns das einfach alles willkommen heißen und dokumentieren, während die Welt sich selbst zerstört."

Beard dokumentiert auf seinen Tagebuchseiten nicht wie ein der Zeit verpflichteter Chronist, der sich von der einen zur anderen (gottverdammten) Sache hangelt. Eher wie jemand, der wie aus der Zeit gefallen scheint und sich vorgenommen hat, das Chaos der Welt mithilfe radikaler Subjektivität abzubilden. Seine Fotos dienen dem Fotografen dabei nur als ein Mittel von vielen; Beard benutzt für seine Kunst Zeitungsschnipsel, Lebensmittelverpackungen, Federn, Schlangenhäute, Patronenhülsen und Rasierklingen und viel Blutrot.

Neben ausgerissenen Schlagzeilen wie "Man hacks wife to death" hat er Notizen aufgeschrieben. Ein Lunchtermin, links neben der Röntgenaufnahme eines Massai, dem ein Pfeil im Kopf steckt. Neben dem riesigen Foto einer anmutigen, jungen, schwarzen Frau liegt eine kleine Barbie. Weiter unten ein Fetzen, in dem offenbar von "Best-Selling BABIES" die Rede ist.

Alltägliches und Katastrophales stehen in diesen Tagebüchern Seite an Seite, Beard ist eine Art Dokumentar der Weltselbstzerstörung. In einem Interview sagte er mal, es wäre gut, gäbe es keine Menschen. "Wir sind das größte Problem dieser Welt."

Dieses Problem ist Teil seiner Kunst. Ein Foto Beards zeigt badende Flusspferde. Idyllisch. Doch von oben ragt eine Hand ins Bild. Es sieht aus, als klebte Blut an ihr. In einer Collage ist das große Foto eines Elefanten, der wirkt, als schreie er auf, umringt von kleinen Fotos mit Skeletten und Kadavern seiner Artgenossen. Auf einigen ist der Schatten eines Flugzeugs zu erkennen. Auch wenn Beard den Menschen nicht zeigt – er ist da.

Die Schönheit seiner Kunst spricht weniger aus seinen heute auch anachronistisch wirkenden Modelporträts als aus seiner zeitlosen Wildtierfotografie. Etwa der Nahaufnahme zweier, von einem Menschen in die Kamera gehaltener Krokodilbabys, die gerade geschlüpft sind. Die folgt im Taschen-Band übrigens auf ein Bild, das Krokodilkadaver neben einer Leiche zeigt.

Der Mix aus Schönheit und Brutalität bildet einen Kern dieses Bands. Der Tod steht häufig neben dem Leben: Ein Mädchen küsst einen Totenschädel, collagiert mit Fotos von Leichenteilen, Kadavern, Steinen, Stripperinnen, Mick Jagger und Karen Blixen.

Beard überschreitet Grenzen, als wollte er so das Chaos der Welt versinnbildlichen. Menschen wie Tiere sind bei ihm mal Subjekte, mal Objekte. Tiere als Models. Menschen als Bestien. Erzählt von einem Amerikaner, den es nach Afrika zog. Der in einer Filmstreifensequenz, die einen Affen zeigt, an einer Stelle ein sich räkelndes Model eingefügt hat. Als hätte er sagen wollen: Du kannst den Jungen aus New York holen, New York aber nicht aus dem Jungen.

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