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BIOGRAPHIEN Pfad durch die Wüste

Der Porzellan-Unternehmer Philip Rosenthal, im Nebenberuf SPD-Bundestagsabgeordneter, berichtet in einem Buch über seine drei Jahre in der Fremdenlegion.
aus DER SPIEGEL 10/1981

Auf die Frage, wo er am meisten gelernt habe, antwortet der Porzellanfabrikant und SPD-Abgeordnete Philip Rosenthal, 64, gern stolz und »nicht nur im Spaß": »In Oxford und in der Fremdenlegion.«

Wo andere deutsche Unternehmer seiner Generation allenfalls mit Frontkämpfer-Erfahrungen oder schlicht mit einem weißen Fleck in der Biographie dienen können, da hat der Spezialist für exklusives Design Besonderes zu bieten: »achtzehnhundertsiebenundzwanzig Tage in der Legion«.

Bei der Berechnung seiner Lehrzeit als Legionär hat sich Rosenthal zwar ein wenig verrechnet: Es waren nur 1142 Tage. Aber die Zeit zwischen dem 8. September 1939 und dem 23. Oktober 1942 scheint ausgereicht zu haben, in dem Jüngling eine Fülle von Lebensweisheiten reifen zu lassen.

Etwa diese: »Es kann einem jungen Menschen, ob Sohn eines Millionärs oder eines Müllarbeiters, nichts Besseres passieren, als im Dienst mit und im Dienst von anderen Menschen ein bis zwei Jahre ohne jedes Privileg -- also auch kaserniert -- das Leben kennenzulernen.«

Die »heutige Jugend«, der solche »Lehr- und Wanderjahre« wie einst dem Legions-Korporal Rosenthal »fast unmöglich geworden sind«, hat nun wenigstens die Gelegenheit, dem Erkenntnis-Pfad durch den Wüsten-Sand im Geiste zu folgen. Anfang März erscheinen Rosenthals Erinnerungen an diese Zeit als Buch mit dem Titel »Einmal Legionär«.

( Philip Rosenthal: »Einmal Legionär«. ) ( Albrecht Knaus Verlag, Hamburg; 288 ) ( Seiten; 32 Mark. )

Das Manuskript hatte er schon 1944 verfaßt, als er für den britischen »Soldatensender Calais« arbeitete. In den Nachkriegswirren fand sich jedoch kein Verleger. So kriegte nur Ehefrau Lavinia das Werk zu lesen, und sie fand es »wunderbar«. Später schmökerten die vier Kinder darin und zeigten sich, nach Auskunft des Papas, gehörig beeindruckt.

Mit anderem Material für ein aufwendiges Jubiläumsbuch zum hundertjährigen Bestehen der Porzellanfirma Rosenthal im vorletzten Jahr geriet das Werk an den Chefreporter der Zeitschrift »Geo«, Hermann Schreiber.

Der hielt es für »das originellste Stück Autobiographie eines deutschen Industriellen und Bundespolitikers, das man sich denken kann«, und ließ diese Einsicht in seinem Beitrag zur »Rosenthal Story« ("Reicher Junge, armer Hund") abdrucken. Nach so einem Lob war es wohl kaum noch zu verantworten, das Werk der Öffentlichkeit vorzuenthalten.

Nachzulesen ist nun also, was den reichen Jungen in die Fremdenlegion trieb. Nach dem Examen in Oxford -sein Vater, jüdischer Abstammung, war von den Nazis aus seiner Firma gedrängt worden, der Junior erhielt im sicheren England eine standesgemäße Ausbildung -- wollte Jung-Rosenthal »raus aus dem Glashaus«. Mit dem Fernziel Mongolei trampte er gerade durch Frankreich, da fiel die deutsche Wehrmacht in Polen ein.

Vom Kameradschaftsführer der Hitlerjugend hatte er sich zum Antifaschisten gewandelt. Nun wollte er gegen die Nazis kämpfen. Die Engländer aber hätten den Deutschen nur in einem Pionier-Korps schaufeln lassen. Von der Fremdenlegion versprach er sich Besseres: »Wenn dies meine Jahre voll Blut und Grauen waren, dann sollten sie wenigstens soviel Blut und Grauen bieten, daß sie interessant waren.«

Nach der Grundausbildung, »eine aussichtslose Schlacht gegen Läuse und Langeweile«, schickte man den Rekruten statt an die Maginot-Linie in die Sahara. Monatelang zog er mit einer Maultier-Kompanie durch die Wüste.

Abwechslung verschaffte allein der Wachdienst vorm »Bordell Militaire de Campagne": »Das führte zu peinlichen Szenen, da es nicht einfach ist, im Arabischen zwischen Lust- und Schmerztönen zu unterscheiden.«

Nach der Kapitulation Frankreichs wurde die Truppe dem deutschfreundlichen Vichy-Regime unterstellt. Legionär Rosenthal fand sich endgültig »persönlich um unsere kleine Chance zu kämpfen betrogen«. Er beschloß zu desertieren.

Dreimal scheiterten die Fluchtversuche. Schließlich landete er in einem Zwangsarbeitslager. Neun Monate schuftete der Legionär im Steinbruch und lernte die Arbeit gründlich kennen: »Sowjet-Europa hat für mich seitdem keinen Schrecken mehr.«

»The last of the legion«, wie der Titel des auf englisch verfaßten Original-Manuskripts suggeriert, war der unentwegte Erfolgsmensch Rosenthal dort so wenig wie vorher als Legionär. Die Korporalschule hatte er als Zweitbester absolviert, zwischen zwei Fluchtversuchen brillierte er unter falschem Namen in Casablanca als Rugby-Star, und im Steinbruch ackerte er sich schnell in die Spitze der Akkord-Arbeiter hoch.

Eine englische Untergrundgruppe in Casablanca schleuste ihn schließlich aus dem Lager und schmuggelte ihn in einem Kutter nach Gibraltar.

Zurück in England, bot sich ihm endlich die ersehnte Kampf-Chance. Die Briten wollten ihn mit einer Fallschirm-Truppe hinter den feindlichen Linien einsetzen. Doch Rosenthal hatte inzwischen genug gelernt: »Da habe ich gepaßt.«

S.219Philip Rosenthal: »Einmal Legionär«. Albrecht Knaus Verlag, Hamburg;288 Seiten; 32 Mark.*

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