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AUTOMOBILE Pickel am Bürzel

Porsche lockt seine Kunden mit einer neuen Variante: Ein Wind-Wulst am Heck ist das Statussignal des Carrera RS.
aus DER SPIEGEL 37/1972

Ein Porsche«, so verkündete Porsche-Baron Huschke von Hanstein vor acht Jahren bei der Einführung der Porsche-911-Karosserie, »muß aussehen wie ein Porsche.«

Deutschlands kleinstes, aber feinstes Automobilwerk in Stuttgart-Zuffenhausen hat an der zwingenden Logik dieses Spruchs bis ·heute festgehalten. Ein Porsche 911, Standard-Sportwagen für die Jugend mit den grauen Schläfen, kann auch heute seine Abstammung von jenem bulligen Kärntner Urahnen Porsche 356 von 1948 nicht verleugnen.

Und doch: Obwohl die Silhouette mindestens seit 1964 gleichblieb, sind die Zuffenhausener mehr und mehr dazu übergegangen, ihre Alt-Kunden nicht nur mit edleren Innereien, sondern auch mit optischen Veränderungen zu reizen -- wenn nicht zum Neukauf, so doch wenigstens zur nachträglichen Umrüstung.

Für Porsche-Fahrer, die sich dazu verlocken ließen, wurde das stets teuer, selbst wenn es sich um Kleinigkeiten handelte, wie etwa das Austauschen gummierter Stoßstangenhörner gegen die alten chromglänzenden Knubbel. Als Porsche vor zwei Jahren breitere Feigen und -- nur bei genauem Hinsehen wahrnehmbare -- wulstig verbreiterte Kotflügel einführte, entschlossen sich »unwahrscheinlich viele Kunden«

Im letzten Jahr überraschte Porsche seine Kundschaft mit einem schürzenartig vorgewölbten »Frontspoiler« unter der Stoßstange, einem Windleitblech, das bei hoher Geschwindigkeit die Bodenhaftung der Vorderräder (aber auch deren Reifenverschleiß) erhöht. Kraftfahrzeugmeister Paul Stolten vom Porsche-Zentrum Raffay in Hamburg nannte den Windfänger burschikos einen »Straßen-Lutscher« -- immerhin lutschte das neuartige Porsche-Detail jedem Nachrüstwilligen 750,14 Mark aus der Tasche. Gleichwohl »überstieg die Nachfrage bei weitem unsere Lief ermöglichkeiten« (so der Porsche. Kundendienst).

Nun droht den so geplagten Porschefahrern ein neuer Aderlaß -- durch einen Heckspoiler aus Kunststoff, aufragend wie ein Pickel am Bürzel einer neuen, für sportliche Wettbewerbe vorgesehenen Variante des Porsche 911.

Um »wieder etwas für den Tourensport zu tun«, hat Porsche einen alten Porsche-Sportnamen aktiviert (Carrera RS) und einen bis auf 900 Kilogramm abgemagerten Leichtgewichts-911 entwickelt -- laut von Hanstein ausgehend von der Fragestellung: »Was frißt der Kunde an Vereinfachung?«

Der Carrera RS muß, um von den Sporthehörden für bestimmte Wettbewerbe anerkannt zu werden, voll »straßentauglich« sein und außerdem in einer Serie von mindestens 500 Exemplaren gebaut werden.

Als Antrieb für den Neuling, dessen Preis noch nicht festgesetzt wurde (wahrscheinlich 34 000 Mark), installierten die Zuffenhausener Ingenieure einen 2,7-Liter-Sechszylindermotor. Er verdichtet mit 8:1 so niedrig, daß Normalbenzin genügt, seine 210 PS zu entfesseln. Der Carrera RS beschleunigt in weniger als sechs Sekunden von null auf 100 km/h und ermöglicht eine Spitzengeschwindigkeit von mehr als 245 km/h.

Soviel Musik aus einem so leichten Instrument ließ den Technikern geraten erscheinen, als zusätzliche aerodynamische Hilfe auch am Heck einen Spoiler anzubauen.

Eine so bestückte Heckhaube soll auch für die Besitzer normaler Porsches lieferbar sein, obwohl sie ihn eigentlich nicht brauchen. Porsche-Kundendienstler sind schon jetzt sicher: »Das wird ein neuer Boom.«

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