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BÜCHER NEU IN DEUTSCHLAND Politische Ahnung

Peter-Paul Zahl: »Von einem, der auszog, Geld zu verdienen«. Rauch; 124 Seiten; 16 Mark.
aus DER SPIEGEL 53/1970

Autor Zahl, 26, will mit seinem Erstlingsroman beweisen, daß das literarisch vernachlässigte Thema Lohnarbeit nicht solchen Autoren überlassen bleiben müsse, die einem überalterten Begriff von Realismus anhängen, sondern auch mit neueren Stilmitteln behandelt werden könne.

Der Germanistik-Student Wolf verheddert sich in den Fußangeln, die dieses Gesellschaftssystem für junge Leute seines Schlages ausgelegt hat. Er studiert nur mit mäßigem Eifer, genießt vorwiegend Freizeit und trifft eine Christa, der er dann früher oder später ein Kind macht. In West-Berlin, wo sich dies zuträgt, hält man für derlei Fälle »immer zwei Trostpflaster parat«, wie es in der Junge-Leutenach-Berlin-Werbung eines rührigen Senats heißt: Familiengründungs- und Einrichtungsdarlehen zu günstigen Bedingungen: so kann man sie teilweise durch Produktion von Nachwuchs-Berlinern abtragen.

Wolf wird also Vater und damit notwendigerweise auch Arbeitnehmer, Raten für den VW sind zu zahlen, unter anderem. Und auch in der Ehe sieht es bald nicht gut aus. Wolf ist integriert und also auch frustriert. Einmal gerät er in eine Demonstration, bekommt etwas über den Schädel und eine Ahnung von Politik. Er schwänzt die Arbeit, wird gefeuert, findet keinen neuen Job, hat die Schnauze voll und geht in den Osten. Da aber können sie einen wie Ihn nicht brauchen und schicken ihn zurück.

Der Verfasser beläßt es dabei. Mit einer Collage aus Photos, Zeitungsschlagzeilen und Werbeslogans, die er seiner Story hinterlegt, will er den Einzelfall zum Modell erheben, den gesellschaftlichen Kontext nachweisen. Aber dieses Stück Agitationsliteratur überfordert die Leser, die es anpeilt: Sie sind nicht darin geübt, zwischen Ihrer eigenen und der gesellschaftlichen Situation Zusammenhänge herzustellen. Dieses, wie auch sein stolzer Preis, dürfte den agitatorischen Erfolg des Werkes in Grenzen halten.

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