KUNSTMARKT / KÖLN Pop mit Profit
Dem kümmernden Wirtschaftszweig erschien das Licht einer Kurz-Konjunktur -- und eine Hoffnung auf bessere Tage. Denn Deutschlands Handel mit neuer Kunst, sonst verzettelt und daher nach internationalem Maß bedeutungslos, hatte fünf Tage lang eine Metropole.
Fünf Tage dauerte der erste »Kunstmarkt«, den 18 deutsche Galerie-Inhaber im Kölner Gürzenich abhielten. Die 18, zum privaten »Verein progressiver deutscher Kunsthändler« formiert (SPIEGEL 17/1967), boten in ihren Messe-Kojen Lagerbestände und Kommissionsware vom Expressionismus bis zur geometrischen »Hard-Edge«-Malerei an -- und waren vom Erfolg verblüfft. Vereinsvorsitzender Hein Stünke: »Der deutsche Markt fängt an, sich zu etablieren.«
In fünf Tagen empfingen die Aussteller etwa 15 000 Basar-Besucher -- mehr, als beispielsweise der Hamburger Hans Neuendorf pro Jahr in seiner Galerie registrier±; sie knüpften Kontakte zu ausländischen Händlern und deutschen Sammler-Novizen und setzten Gemaltes, Gehauenes und Gestochenes für rund 1,5 Millionen Mark um.
Die abgeschlossene Messe verbuchte der Galerist Rolf
Ricke aus der Provinzstadt Kassel als »aufregendes Erlebnis«, Neuendorf wünschte noch mehr Markt ("von mir aus dauernd"), und Kölns Stünke lobte jovial die Besucher: »Ein nettes Publikum und noch dazu eins, das kauft.«
Die Gelobten hatten bei Stünke viel Geld gelassen: Seine Galerie »Der Spiegel« notierte den teuersten Verkauf des Kunstmarkts, als ihr ein westdeutscher Privatsammler für 65 000 Mark ein finsteres Baumstrunk-Konterfei ("Der blaue Mond") des Surrealisten-Veteranen Max Ernst abnahm.
Der Rekord-Verkauf enthüllt das Doppelgesicht der Messe: Während die selbsternannten Progressiven bei einer -- gleichzeitig mit dem Kunstmarkt eröffneten und noch bis zum 8. Oktober gezeigten -- Ausstellung im Kölnischen Kunstverein nur Neuheiten zeigten, boten sie im Gürzenich auch gute alte Werke feil, zum Beispiel rund 50 Jahre alte Blätter der Expressionisten Nolde, Feininger und Schmidt-Rottluff.
Die Klassiker im bunten Messe-Angebot waren allerdings nur ausnahmsweise gefragt. Dem Kölner Galeristen Rudolf Zwirner etwa blieben alle Zeichnungen von Ernst, Grosz, Schlemmer und Tanguy liegen -- Zwirner vermißte das »Fachpublikum«.
Statt dessen kaufte das Publikum (Ricke: »Unglaublich viele Leute, die noch nie eine Galerie gesehen haben") gern moderne Druckgraphik von 20 Mark aufwärts und legte vier- und fünfstellige Summen für Arbeiten von Op- und Pop-Artisten, Konstruktivisten und Neuen Realisten hin.
So kassierte der Stuttgarter Hans-Jürgen Müller 28 000 Mark für ein buntgestreiftes Gemälde in Rhombenform des Amerikaners Noland, und Hans Frieder Mayer aus Eßlingen bekam 20 000 Mark für ein Relief des Op-Vaters Vasarely. Ein Bild des Deutschen Wunderlich für 15 000 Mark verkaufte der Hannoveraner Dieter Brusberg, bei dem auch eine Wunderlich-Kollektion neuer Art gut weg ging: Aus einer mittels Schablonen gespritzten Serie von 30 Akten in Öl (Stückpreis: 1600 Mark) wurden sechs abgesetzt. Arbeiten jüngerer Deutscher verkauften Brusberg, aber auch der
*"Der blaue Mond«.
Münchner Raimund Thomas sowie Zwirner an den Kunsthändler Claude Bernard aus Paris. Bernards Investitionen verheißen den Nachwuchs-Malern einen neuen Markt -- der Händler plant eine erste Ausstellung junger deutscher Kunst in Paris. Seine Favoriten in Köln: die ornamentalen Farbtafeln Gernot Bubeniks, anzusehen wie Organschnitte unter dem Mikroskop (2200 bis 2400 Mark), und die Maschinenbilder Konrad Klaphecks, von denen Bernard drei für 4000 bis 6000 Mark bei Zwirner einkaufte.
Prompt zog der Kurs des »Messeschlagers Klapheck« (so Zwirner) an: Am letzten Kunstmarkt-Tag kaufte Berlins Rudolf Springer, der sich wegen der Kölner Erfolge sogar von der Stuttgarter Antiquariatsmesse zurückziehen will, seinem Kollegen Brusberg das Klapheck-Bild »Das Gesetz des Alltags« für 3500 Mark ab und bot es, um 2000 Mark teurer, wieder an.
Derartige Progressionen im Geschäft der »progressiven Kunsthändler« machen Ausgeschlossene neidisch. Galeristen, die nicht zum städtisch geförderten Kölner Basar (Gürzenich-Miete für fünf Tage: 700 Mark) eingeladen wurden, fürchten Nachteile. Sie wollen künftig dabeisein.
Mehr Aussteller zuzulassen, plant auch Progressiven-Vorsteher Stünke. Er möchte das Einstimmigkeitsprinzip bei Neuaufnahmen abschaffen und den Kunstmarkt (der nach dem Start-Erfolg für die Zukunft jährlich fest eingeplant ist) aus dem engen Gürzenich in die größere Kölner Kunsthalle verlegen. Aber auch dort soll »nicht jeder Krämer« Zugang haben.