Wissenschaftsautor Timothy Ferris ist Professor für Englisch am Brooklyn College und Verfasser des Buches »Die rote Grenze: Die Suche nach dem Ende des Universums
Mao Tse-tung stellte bei einem Plausch mit Freunden einmal die Frage, »leben wir im Himmel oder auf der Erde?«
»Sie schüttelten alle die Köpfe«, erinnerte sich Mao, »und sagten »natürlich leben wir auf der Erde«; aber ich antwortete: »Nein, wir leben im Himmel. Wenn wir von der Erde aus auf die Sterne schauen, sind die im Himmel. Aber wenn irgendwo da oben Menschen wohnen, die in unsere Richtung blicken, müssen die nicht denken, daß wir im Himmel sind? Darum behaupte ich, daß wir zugleich im Himmel und auf der Erde leben.«
Der Gedanke, daß wir nur kosmische Siedler auf einem von Milliarden Planeten sind, ist weit verbreitet. Science-Fiction-Autoren haben den ersten Kontakt zwischen Menschen und außerirdischen Lebewesen immer wieder beschrieben. Meist ließen sie die fremden Raumschiffe auf dem Rasen vor dem Weißen Haus landen oder unsere Raumschiffe vor Regierungspalästen irgendwo im All. Aber die Wissenschaft selbst, im Grunde so konservativ wie das Bankgewerbe, scheute sich lange, Spekulationen über außerirdisches Leben anzustellen.
Diese Einstellung scheint sich jetzt zu ändern. »In den letzten vier Jahrzehnten hat sich in der Welt der Wissenschaft eine stille Revolution vollzogen«, schreibt Bernard Oliver, Vizepräsident bei der Computerfirma Hewlett Packard und eine der Hauptfiguren, wenn es um die Kommunikation mit Lebewesen auf anderen Planeten geht: »Wissenschaftler, die noch vor einem Vierteljahrhundert die Vorstellung, daß es im Universum möglicherweise von intelligenten Lebewesen wimmelt, als absurd zurückgewiesen hätten, haben ihre Ansicht revidiert. Ja, viele von ihnen glauben mittlerweile, daß es unsere Bestimmung -- sozusagen der erste Schritt der Menschheit zur Reife -- sein könnte, Verbindung mit diesen Lebensformen aufzunehmen.«
Der Astrophysiker Sebastian von Hoerner vom National Radio Astronomy Observatory in Green Bank, West Virginia, erklärt in diesem Zusammenhang: »Ich glaube allen Ernstes, daß der Versuch, Kontakt zu anderen Lebewesen im Universum herzustellen, unsere nächste große Aufgabe sein wird. Ein Erfolg dabei wäre der größte Schritt in der Evolution der Menschheit seit Entwicklung der Sprache.«
Entsprechend unserem elektronischen Zeitalter -- in dem Menschen über Komiker lachen und für Politiker stimmen (und umgekehrt), ohne sie je direkt erlebt zu haben, ist der Kontakt mit außerirdischen Lebewesen, wie er Sebastian von Hoerner und seinen Kollegen vorschwebt, nicht physischer, sondern elektronischer Art. Radioteleskope, mit denen die natürlichen (etwa von Radio- oder Neutronensternen abgestrahlten) Funkwellen aus dem Kosmos aufgefangen werden, könnten ebenso nach künstlichen Signalen von anderen Welten horchen.
Vorgeschlagen wurde das erstmals vor 18 Jahren von den Physikern Philip Morrison und Giuseppe Cocconi. Sie wiesen darauf hin, daß Radiowellen eine brauchbare Möglichkeit bieten, über die gewaltigen Distanzen des Weltalls hinweg Nachrichten auszutauschen. Sie stellten auch die Hypothese auf, wenn Lebewesen irgendwo in unserer Galaxis, unserem Milchstraßensystem, Botschaften ausstrahlten, könnten sie von den Radioteleskopen auf der Erde aufgefangen werden.
Nun hat ein Komitee hervorragender Wissenschaftler unter Vorsitz von Philip Morrison in einem 275-Seiten-Bericht gefordert, die gezielte Suche nach Signalen intelligenter außerirdischer Lebewesen in kleinem Umfang aufzunehmen; in den folgenden Jahren soll das Projekt dann mit größerem Aufwand weitergeführt werden.
Noch ehe der Bericht des Morrison-Komitees veröffentlicht wurde, beschloß die US-Weltraumbehörde, den Empfehlungen der Wissenschaftler zu folgen. Sie bat den amerikanischen Kongreß, entsprechende Gelder im kommenden Frühjahr zu bewilligen, im in bescheidenem Umfang eine kontinuierliche Suche nach künstlichen Funksignalen aus dem Raum außerhalb unseres Sonnensystems aufnehmen zu können.
Unter der Bezeichnung Seti* sollen zwei Forscherteams erst einmal über einen Zeitraum von sechs Jahren ins All lauschen:
* Am Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena, Kalifornien, soll der von diesem Ort aus sichtbare Himmel unter Einsatz der Antennen der Goldstone-JPL-Beobachtungsstation in der Mohave-Wüste erfaßt werden;
* die Wissenschaftler am Ames-Forschungszentrum der Nasa in Nord-Kalifornien sollen sich auf die kosmischen Nachbarn unserer Sonne konzentrieren und mit großen Radioteleskopen Sterne abhören, die bis zu 100 Lichtjahre von uns entfernt liegen. (Ein Lichtjahr entspricht einer Entfernung von 9,463 Billionen Kilometer.)
Wenn intelligente Lebewesen (und unter »intelligent« verstehen die Astronomen nur solche Lebewesen, die Radiosender gebaut haben und Botschaften ins Weltall ausstrahlen) Funksignale in Richtung unseres Sonnensystems aussenden, dann sollte es mit einer der
* Seti, Abk. für »Search for Extraterrestrial Intelligence« = Suche nach extraterrestrischer Intelligenz.
beiden Suchstrategien möglich sein, diese Signale aufzufangen.
Ähnlich wie einst Kolumbus oder der portugiesische Prinz Heinrich der Seefahrer, so können auch die Seti-Pioniere nur auf zurückhaltende Unterstützung rechnen. Die Regierungsbehörde Nasa -- besorgt, der Geldverschwendung bezichtigt zu werden, wenn sie etwas Gewagtes unternimmt -- will über einen Zeitraum von sechs Jahren etwa 20 Millionen US-Dollar zur Unterstützung beider Forschungsteams aufwenden. Das entspricht nicht einmal den Produktionskosten für den Film »2001«.
So bescheiden das Seti-Projekt auch sein wird, so ist es doch ein Sieg für die Wissenschaftler, die seit Jahren für die Vorstellung eintreten, es könnte eine Art galaktischer Gemeinschaft geben, und wir sollten ernsthaft erwägen, mit ihr Verbindung aufzunehmen oder zumindest von ihrer Existenz zu erfahren.
Die Bemühungen dieser Wissenschaftler begannen 1959 mit dem Morrison-Cocconi-Bericht. Verschiedene Forscher, darunter vor allem der Exobiologe Carl Sagan und der Astrophysiker Frank Drake von der Cornell University sowie der angesehene sowjetische Astronom Josef Schklowski, nahmen die Anregung begeistert auf. Die Reaktion anderer Kollegen war damals eher zurückhaltend.
Zehn Jahre lang stellte sich die Erde gegenüber den vermuteten außerirdischen Zivilisationen taub -- mit Ausnahme von elf Stunden, in denen eine Gruppe sowjetischer Wissenschaftler mit relativ unempfindlichen Geräten eine ergebnislose Lauschaktion unternahm. Seit 1970 haben einige Forscher in den Vereinigten Staaten und der Sowjet-Union sporadisch Seti-Projekte von jeweils nur kurzer Dauer gestartet.
Der einzige längeranhaltende Versuch wurde von zwei Radioastronomen der Ohio State University, John Kraus und Robert Dixon, unternommen. Seit 1973 horchen diese beiden Wissenschaftler unablässig nach Signalen intelligenter außerirdischer Lebewesen. Sie verfügen über eine Antenne von beachtlicher Größe, 2200 Quadratmeter, aber ihre Empfänger und ihre Datenverarbeitungsanlage sind veraltet -- das ist etwa so, als hätte man eine Kiste Wein, aber keinen Korkenzieher.
Seti-Forscher, die Antennen und elektronische Anlagen von hinreichender Empfindlichkeit benutzen, haben bisher insgesamt etwa 1000 Stunden darauf verwandt, ins Weltall zu horchen -- ein Forschungsaufwand, dem im Vergleich zu der gestellten Aufgabe weniger Erfolg beschieden sein mußte, als wenn Prinz Heinrich versucht hätte, Afrika dadurch zu erkunden, daß er seine Schiffe nur 20 Meilen vor die portugiesische Küste geschickt hätte.
Doch mittlerweile haben Astronomen eine ganze Anzahl von beachtlichen Theorien und Beobachtungen zusammengetragen, die darauf schließen lassen, daß zumindest einige unserer Nachbarsterne von Planeten umkreist werden. Es gibt eine Unzahl von Sternen, und wenn es typisch sein sollte, daß Sterne von Planeten umgeben sind, dann gibt es womöglich Hunderte von Milliarden Himmelskörper, auf denen sich Leben entwickelt hat.
Die Biologen andererseits sind zu der Überzeugung gelangt, daß auch das Leben auf der Erde auf weniger wundersame Weise begann als ursprünglich angenommen -- ja, daß Leben sich in der Tat fast zwangsläufig aus der chemischen Evolution auf Planeten wie dem unseren (und vielleicht auch auf andersartigen) entwickelt.
Auf der technischen Seite haben superschnell rechnende Datenverarbeitungsanlagen und andere elektronische Wundergeräte die Aufgabe, den Himmel nach künstlichen Signalen abzusuchen, erheblich leichter gemacht. Wenn man das Seti-Projekt mit dem Versuch vergleicht, eine Nadel im Heuhaufen zu entdecken, so ist der Millionen-Kanal-Empfänger bei Seti einer Million Hände vergleichbar, die bei der Suche im Heu helfen.
Physiker Morrison sieht die Aufgabe eher langfristig. »Ich meine, wir sollten von einer systematischen Suche ausgehen, die sich über 100 Jahre erstreckt«, erklärte er kürzlich.
»Ich kann die Spekulationen über mögliches Leben im Weltall, über den eventuellen Nutzen oder die Gefahren extraterrestrischer Signale, all dieses Gerede darüber nicht mehr hören«, sagte er. »Ich weiß, daß wir die Frage, ob wir allein im Kosmos sind, zum ersten Mal empirisch angehen können. Wir haben ein Verfahren, das eine Chance bietet keine hundertprozentige, aber eine faire Chance -, diese Frage zu beantworten. Wir sind mit dieser Aufgabe nicht überfordert, und abgesehen von den Kosten hat das Projekt auch keine negativen Seiten. Ich bin der Meinung, daß wir es machen sollten. Die Entwicklung des menschlichen Denkens gebietet es fast.«
Während der Beratungen des Morrison-Komitees, die sich über zwei Jahre erstreckten, wurden schließlich auch die hartnäckigsten Skeptiker unter den Komitee-Mitgliedern von der Machbarkeit des Seti-Projekts überzeugt.
Ich sprach mit Jesse Greenstein, einem langjährigen Astrophysiker des Caltech-Instituts, der sich von den Komitee-Mitgliedern am wenigsten enthusiastisch über das Seti-Projekt geäußert haben soll.
»Gefühlsmäßig ist Seti ein sehr aufregendes Vorhaben«, sagte er. »Aber wissenschaftlich ist es sehr schwer (lurchfuhrbar, wenn vielleicht nicht gar unmöglich. Ich bin der etwas deprimierenden Meinung, daß es reiner Zufall wäre, wenn intelligente außerirdische Lebewesen, sofern es sie überhaupt gibt, uns auch nur in etwa gleichen
* Illustration zu »Münchhausens Abenteuer«.
würden, selbst in der Intelligenz. Haben Sie das Buch von Clarence Day »This Simian World« (Diese Affenwelt) gelesen? Er stellt sich eine Welt von Katzen vor, von Renaissance-Löwen, in Samt gekleidet, die Dolche tragen. Nun, wir sind keine Katzen, wir sind Affen, schwatzende Affen. Das Seti-Projekt geht davon aus, daß Schwatzen eine universale Eigenschaft ist, daß die Eigenschaft, die in uns den Wunsch nach Kommunikation weckt, universell ist. Dessen bin ich nicht so sicher.«
Im weiteren Verlauf unseres Gesprächs jedoch begann Greenstein, das Thema in ein besseres, wenn auch nicht weniger kühles Licht zu rücken.
»Angenommen, das Seti-Projekt würde uns in die Lage versetzen, einen Katalog mit der Beschreibung verschiedener Zivilisationen aufzustellen -- wie lange jede Zivilisation typischerweise besteht, welche Fehler ihnen innewohnen, und ob sie überleben, was uns mit ziemlicher Sicherheit nicht gelingen dürfte. Angenommen auch, wir würden Photos von Tausenden von Planeten empfangen und jeder dieser Planeten wäre mit Kratern übersät -- nicht von Meteor-Einschlägen, sondern von Atombomben. Würden uns diese Beweise beeindrucken? Würden sie uns von unserem halsbrecherischen Achterbahnkurs in die Vernichtung abschrecken?
»Es wird immer behauptet, alle Entdeckungen seien nützlich. Sollte eine Seti-Entdeckung offenbaren, welche
* Illustration zu »Krieg der Welten« von H. G. Wells.
Schurken, welche Dummköpfe wir sind, so wäre das letzten Endes von Nutzen. Wenn das dabei herauskommt, will ich gern meinen Anteil zu dem Seti-Projekt beisteuern. Aber diese Wahrscheinlichkeit ist immer noch gering.«
Die langfristigen Auswirkungen extraterrestrischer Kontakte sind schwieriger vorauszusehen. Wer hätte im Europa des 15. Jahrhunderts, als die Segel des Kolumbus am Horizont verschwanden, voraussagen können, daß er nicht nur zu neuen Ländern aufgebrochen war, sondern daß damit auch der Weg zu Darwins Evolutionstheorie gebahnt wurde oder gar der ins All?
Frank Drake hat darauf hingewiesen, daß wir unsere Existenz längst zu den Sternen hinausposaunen -- hauptsächlich durch die Energie, die von kommerziellen Rundfunk- und Fernsehstationen abgestrahlt wird, aber auch von militärischen Radaranlagen und jenen Radarstrahlen, mit denen Wissenschaftler die Oberfläche der Planeten unseres Sonnensystems erkunden. An dem Tage, an dem die erste irdische Rundfunkstation mit ihren Sendungen begann, wurde die Erde zu einem Stein, der ins elektromagnetische Meer geworfen wurde. Die kleinen Wellenbewegungen breiteten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und verrieten jedem, der es hören wollte, unsere Technologie.
Längst haben diese Wellen die Planeten (sq vorhanden) von Hunderten von Nachbarsonnen überspült, und jeder dort, der ein Radioteleskop auf uns gerichtet und es auf eine der richtigen Frequenzen eingestellt hat, weiß, daß wir hier sind.
Wir haben die Erde in einen Planeten verwandelt, der auf den Funkwellenlängen heller erstrahlt als die Sonne -- der strahlt mit TV-Komödien, permanenten Nachrichtensendungen und den ängstlichen Impulsen militärischer Radarüberwachung.
»Es wird oft gefragt«, so Carl Sagan, »warum intelligente außerirdische Lebewesen (wenn es sie gibt) uns nicht besuchen. Jetzt wissen wir, warum -- man braucht nur die TV- und Radioprogramme zu hören, die wir ausstrahlen.«
Doch niemand erwartet im Ernst, daß sich außerirdische Intelligenzen mit großem Tamtam ankündigen. Das Nasa-Seti-Projekt ist bestenfalls ein Spähtrupp. So warnen seine Organisatoren denn auch davor, mit schnellen Ergebnissen zu rechnen. »Alle, die hohe Erwartungen in dieses Projekt setzen, werden sich enttäuscht sehen«, warnt John Wolfe von Ames.
Einhundert Milliarden Sterne bevölkern unsere Milchstraße, und sie schweben in riesigen Meeren von Raum und Zeit. Die Ames-Suche, auf Sterne innerhalb einer Entfernung von 100 Lichtjahren von unserer Sonne beschränkt, wird einen kleineren Teil unserer Galaxis erkunden als ein Geologen-Team, das von der ganzen Erde nur die Antillen-Insel Aruba erforschte. Die JPL-Suchaktion, bei der große Himmelsareale abgesucht werden, könnte zwar ein Signal von weiter entfernten Sonnensystemen auffangen, allerdings nur, wenn es ungewöhnlich stark ist. Seti-Manager Bob Edelson: »Wir werden keinen von da draußen hören können, der gerade eine Sprechfunk-Anlage benutzt.«
In seiner Konzeption ist das Seti-Projekt denkbar einfach, die Schwierigkeiten liegen in der Praxis. Frank Drake hat die Konzeption wie folgt erläutert: »In jeder Minute fallen mit fast absoluter Gewißheit Funkwellen auf die Erde, die von anderen intelligenten Zivilisationen ausgestrahlt werden. Ein Teleskop, richtig ausgerichtet und auf die richtige Frequenz eingestellt, könnte diese Wellen entdecken: Das ist alles: Man braucht nur ein Radioteleskop richtig auszurichten, seinen Empfänger auf die richtige Frequenz einzustellen, und schon macht man die größte Entdeckung der Geschichte der Menschheit.
Aber unsere Galaxis ist großzügig mit Sternen bestückt. Würden beispielsweise alle derzeit existierenden großen Radioteleskope der Erde für das Seti-Projekt eingesetzt und dabei ein Teleskop jeweils nur eine Minute auf einen anderen Stern ausgerichtet (eine Minute ist in Wirklichkeit nicht genug), und dies in Tag- und Nachtschicht, ohne je einen Stern ein zweitesmal anzupeilen. hätten wir in etwa 100 000 Jahren alle Sterne unserer Milchstraße einmal abgehört.
Die Aufgabe mußte dementsprechend auf eine angemessene Größe reduziert werden. Das Ames-Team wird sich dieser Notwendigkeit beugen, indem es sich auf nahe gelegene Sterne beschränkt, das JPL-Team. indem es von der Forderung ausgeht, daß ein außerirdisches Signal stark genug sein muß, um sich von Hintergrundgeräuschen abzuheben, sonst wird es vom JPL-Computer ignoriert.
Einer ähnlichen Fülle von Möglichkeiten sehen sich die Seti-Forscher gegenüber, die entscheiden sollen, auf welche Frequenz ihre Empfänger einzustellen sind. Theoretisch stehen ihnen so viele Frequenzen wie Sterne zur Auswahl zur Verfügung.
Wären die Seti-Forscher nun dieser überwältigenden Fülle -- Milliarden von Sternen, Milliarden möglicher Funkfrequenzen -- hilflos ausgeliefert, könnten sie nur verzweifelt die Hände ringen und das ganze Projekt abblasen. Glücklicherweise liefert der Kosmos eine Reihe von Anhaltspunkten, wie wir unsere Empfänger für die interstellare Kommunikation einstellen können.
Der Chor natürlicher Funkgeräusche, der von Radioteleskopen empfangen wird, setzt sich aus vielen Stimmen zusammen -- darunter dem Zischen interstellarer Gaswolken, dem entfernteren Bariton riesiger Radiogalaxien und einem allgegenwärtigen Dröhnen, der kosmischen Hintergrundstrahlung, die für ein Dauer-Echo jenes großen Knalls gehalten wird, mit dem die Expansion des Universums begonnen hat. In den letzten 25 Jahren haben die Funkastronomen eine ganze Menge über diese Stimmen und ihre jeweilige Stärke gelernt. So zeigt sich, daß der kosmische Chor auf gewissen Frequenzen weit lauter singt als auf anderen, als bestünde er aus sehr vielen Baß- und Sopran-Stimmen, aber nur wenigen zaghaften Tenören.
Das gibt eine Art kosmische Zone der Stille. Die Astronomen nennen sie das »Mikrowellen-Fenster«. Lebewesen auf anderen Planeten in unserem Milchstraßensystem könnten von der Existenz dieses Mikrowellen-Fensters auf die gleiche Weise erfahren haben. Die Annahme liegt daher nahe, daß auch sie dieses Fenster wählen würden, um ihre Signale zu übermitteln.
Das Mikrowellen-Fenster enthält zufällig die Frequenzen, auf denen die Energie von Atomen ausgestrahlt wird, aus denen sich ein Wassermolekül aufbaut. Mehrere Seti-Forscher haben daher zu bedenken gegeben, daß außerirdische Lebewesen, die wie wir hauptsächlich aus Wasser bestehen, sich diesen Zufall zunutze machen und gleichfalls auf einer Frequenz senden würden, die in diesem schmalen Bereich des elektromagnetischen Spektrums liegt. Er enthält nur 200 Millionen Frequenzen, so daß die Seti-Empfänger, die 100 Millionen Kanäle abdecken können, diesen Bereich ohne allzugroße Mühe überwachen könnten.
In dem Bericht des Morrison-Komitees heißt es: »Würden wir nur ein einziges außerirdisches Signal auffangen, wüßten wir sofort eine entscheidende Wahrheit: daß es für eine Zivilisation möglich ist, einen hohen technologischen Entwicklungsstand aufrechtzuerhalten und sich dennoch nicht zu stören.«