SCHRIFTSTELLER / ZUCKMAYER Prost Jobs
Heute abend«, rief der Dichter-Jubilar den über 200 festessenden Festgästen zu, »heute abend fühle ich mich sauwohl.«
Er hatte allen Grund: Eine solche Feier, wie sie ihm am Dienstag letzter Woche bereitet wurde, kann heute kaum noch einem Dichter zu seinem 70. Geburtstag ausgerichtet werden -- weil sie zu kaum einem passen würde. Ihm aber saß sie: Carl Zuckmayer, 70, feierte Geburtstag, als wär's ein Stück von ihm, ein saftiges vom »Zuck«.
Ort der öffentlichen Fete: Stadttheater und Hotel Schweizerhof in Luzern. Fest-Ausrichter: der S. Fischer-Verlag (Auflage des Zuckmayer-Bestsellers »Als wär's ein Stück von mir« bis jetzt: 130 000), die Stadt Luzern und ihr resolut-cordialer Stadtpräsident Paul Kopp« Zuck-Duzfreund, sowie Luzerner Privatmäzene ("Der Glückwunsch-Aperitif Henkell-Trocken zu Ehren von Carl Zuckmayer ist offeriert von Herrn und Frau Hans und Adele Disler-Amrein, Moosegg, Luzern").
Den Wunsch, seinen Siebzigsten in Luzern zu feiern, hatte der Ehrenbürger der kleinen Wallis-Gemeinde Saas-Fee und Ehrendoktor Zuckmayer in kleinem Freundeskreis (dabei: General a. D. Hans Speidel) dem Freund Kopp schon frühzeitig bekanntgegeben. Erfüllt wurde der Wunsch in großem Kreis und mit manchem großen Wort: Zwischen Potage Cultivateur, Poulet Chasseur und Parfait glacé à la Zougoise, bei Fendant und Pflümil-Wasser toasteten Kanzler und Minister, Botschafter und Bürgermeister, Schriftsteller und Schauspieler aus den drei Ländern deutscher Sprache auf den Schriftsteller, dem man -- so der Gemeindepräsident von Saas-Fee -- »manchmal den Schriftsteller gar nicht ansieht, man könnte ihn für einen pensionierten Flugkapitän halten«.
Der Schweizer Bundesrat Tschudi versprach dem Jubilar die »ewige Freundschaft des Schweizer Volkes«. Der österreichische Bundeskanzler Klaus brachte »ein Kistl Kanzlerwein« mit. Der deutsche Bundesminister Heinemann appellierte an den »Homo politicus« in Zuckmayer. (Bonn ließ den Justizminister gratulieren, weil er gerade ohnehin zu einem privaten Besuch in die Schweiz reiste).
»Es ist eigentlich alles da«, freute sich das Geburtstagskind« »und daß auch der Ulbricht gekommen wär«, kann., ich ja nicht verlangen, obwohl auch er sich vielleicht hier sauwohl fühlen würde.«
General und Musenfreund Speidel verwendete Zuckmayer-Lobesworte über Gerhart Hauptmann als Laudatio auf Zuckmayer selbst, ließ sich auch durch den Zuckmayer-Zwischenruf »Das geht· zu weit« nicht irritieren und donnerte schließlich ins Mikrophon, als kommandiere er die ganze Nato: »Wir haben einen Kameraden, einen besseren finden wir nicht.«
Zum Glück kam dann bald eine andere deutsche Stimme zu Wort: Vatikan-Botschafter Dieter Sattler bot eine Trinkspruch-ParOdie in, Form einer Max-Pallenberg-Imitation.
Es redeten »auf Zuckmayer die PEN-Kollegen Franz Theodor Csokor aus Wien und Dolf Sternberger. aus Frankfurt. Es telegraphierten an Zuckmayer Kanzler Kiesinger und die Münchner Gastronomen-Familie Walterspiel, Carlo Schmid und das Zürcher Restaurant Kronenhalle, Rolf Hochhuth (als offenbar einziger Kollege aus der jüngeren deutschen Literatur) und die Zirkus-Familie Knie. Es umarmten und küßten Zuckmayer oder wurden von ihm umarmt und geküßt die Freunde Carl Jacob Burckhardt und Gustav Knuth, Alexander Lernet-Holenia und Mathias Wieman, Peter Bamm und die deutsche »Weinkönigin«.
Der Bürgermeister von Zuckmayers Geburtsort Nackenheim schenkte ein Sortiment Wein »der besten Sonnenjahre dieses Jahrhunderts«. Und ein Mainzer Wein-Funktionär, dem der zu schöne Versprecher »Gluckwunsch« gelang, überreichte eine Flasche vom Zuckmayer-Geburtsjahrgang 1896. Beide 70jährige, Wein und Dichter, scherzte dieser Mainzermann, »sind gereift zu abgeklärter Harmonie
Doch in diesem Wein-Wort liegt tatsächlich Wahrheit. »Ich umarme euch«, rief der Weinkenner und Menschenfreund Zuckmayer den Festgästen zu. »Freundschaft« und »Liebe« und »Glück« gingen ihm immer wieder vom Mund. Lauter lauterste Harmonien waren für ihn schon bei der Nachmittagsfeier im Luzerner Stadttheater erklungen, wo der Darmstädter Theaterintendant Hering die Laudatio hielt: Brandenburgisches Konzert, Kleine Nachtmusik, Egmont-Ouvertüre -- gerührt griff der Geehrte nach der Hand seiner Frau Alice, die er (nach einer Wilhelm-Busch-Figur) »Jobs« nennt.
Am Abend pries dann Dolf Sternberger das Memoiren-Bekenntnis des Emigranten und Remigranten Zuckmayer: »Gottlob, ich brauchte nicht zu hassen.« Und der Dichter selbst wies die Besucher der Luzerner Fest-Premiere seines »Gesang im Feuerofen« darauf hin, dieses Stück über Nazi-Terror und Résistance-Tod sei »Klage, nicht Anklage«.
Sein Stück »Des Teufels General« hatte er 1963 den Bühnen gesperrt -- teilweise, wie er heute erklärt, unter dem Eindruck gewisser deutscher Reaktionen auf die Kriegsverbrecherprozesse. Zuckmayer zum SPIEGEL: »Das Stück sollte, nicht als Entschuldigung verstanden werden -- aber es ist auch keine Beschuldigung.«
Jetzt hat er das Stück wieder freigegeben. Zuckmayer: »Ich habe fast nichts geändert, nur ein paar Sätze von Harras und Oderbruch etwas verdeutlicht. Damit keine Mißverständnisse mehr entstehen können über das, was die, beiden meinen« (siehe Auszüge Seite 69). Vor allem die deutsche Jugend von heute, meint der Autor, werde »Des Teufels General« richtig verstehen: »Aus vielen Briefen von jungen Menschen ·habe ich diesen Eindruck gewonnen.«
Seit dem Bestseller-Erfolg seiner Memoiren erhält Zuckmayer etwa zwanzig Leserbriefe pro Tag. »Als wär's ein Stück von mir« ist erfolgreicher als die letzten Stücke von ihm. Aber es soll nicht sein letztes und bestes Stück sein. »Meine Schubladen liegen voll von Notizen zu neuen Werken«, verkündet er kurz vor Mitternacht -- der Wein geht nicht aus -- im Schweizerhof. zu Luzern, »ich will machen, was ich noch nicht gemacht habe -- das Beste.«
Dann, bevor Tochter Winnetou (die mit dem österreichischen Lyriker Michael Guttenbrunner verheiratet ist) zum Aufbruch drängt, hebt er sein Glas noch einmal und setzt noch einmal und diesmal wirklich unwiderstehlich zu einer Preisung der Liebe und Lebensharmonie an.
Seine Frau Alice, sagt Carl Zuckmayer, sei »keine tapfere, brave Dichterfrau«, sondern ein durchaus eigensinniges Geschöpf, oft ein »störrischer Maulesel«. Aber: »Sie ist mir heute noch tausendmal lieber als am ersten Tag ... sie hat mich gelehrt, daß es noch, daß es auch in dieser Welt den Wandel von der irdischen zur himmlischen Liebe gibt -- prost, mein lieber Jobs!«