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TECHNIK Reine Wellen

Laserlicht -- besonders energiereiche, scharf gebündelte Strahlung -- wird nun nach zwei Jahrzehnte langem Experimentieren so universell verwendbar wie sonst nur die Elektronik.
aus DER SPIEGEL 20/1978

Schön sind sie nicht gerade, die DDRWohnsilos der Serie WBS 70, aber schön gerade. Denn statt mit Senklot und Wasserwaage wurde eine Reihe von Baublöcken dieses Typs gleichsam an einer Latte aus Licht ausgerichtet.

Der dünne Peilstrahl ist scharf gebündeltes Laserlicht: Abweichungen von nur 1 Millimeter auf 100 Meter garantiert der VEB Carl Zeiss in Jena bei seinen Laser-Fluchtungsgeräten.

Solche Instrumente haben sich auch im ostdeutschen Berg- und Schiffbau bewährt. Und als die Fahrrinnen in Rostocks Überseehafen um zwei Meter vertieft wurden, wiesen Laserstrahlen den Schwimmbaggern den Weg.

Das SED-Blatt »Neues Deutschland« feierte die Errungenschaft als »symbolkräftig« für »die Funktion der Wissenschaft im Sozialismus«. Doch in westlichen Industriestaaten glimmen die energiereichen Lichtbündel schon häufiger auf -- und zu weit ungewöhnlicheren Zwecken.

Nadelspitzfein etwa sind die von Laserlicht erzeugten Schweißpunkte, mit denen Augenärzte seit Jahren ihren Patienten die abgelöste Netzhaut wieder auf den Augenhintergrund heften. Inzwischen werden mit laserblitzenden Sonden innere Blutungen gestillt oder Blasentumoren und Kehlkopfwucherungen entfernt.

Physiker der kalifornischen Stanford University koppelten eine Laser-Lichtquelle mit einem Teleskop und einem Computer. Das Gerät mißt nicht nur die Luftverschmutzung bis über Entfernungen von zwölf Kilometern; es bestimmt auch die Anteile einzelner Schadstoffe wie Schwefeldioxid oder Benzpyren und die Dichte von Rauchpartikeln.

Laserstrahlen brennen die Löcher in Lagersteine von Uhren und in Nuckel von Babyflaschen. Im Automobilbau werden damit Zylinderköpfe gehärtet und Bleche für die Karosserien von Prototypen geschnitten.

Chemiker arbeiten daran, mittels Laserlichts ultrareine Substanzen und gänzlich neuartige Verbindungen zu gewinnen. Die Polizei der kanadischen Provinz Ontario sucht mit seiner Leuchtkraft jahrealte Fingerabdrücke wieder sichtbar zu machen.

Als Wunderlampe der Zukunft war der Laser bald nach seiner Erfindung gepriesen worden. Und bald auch wurde gemunkelt, er könne militärisch zu unfehlbaren blitzschnellen Schüssen -- »Todesstrahlen« -- verwendet werden.

Nun, zwei Jahrzehnte nachdem Wissenschaftler in Ost und West die Grundzüge des Laser-Prinzips erkannten (die Sowjet-Physiker Nikolai Basow und Alexander Prochorow erhielten dafür zusammen mit ihrem amerikanischen Kollegen Charles Townes 1964 den Nobelpreis), beginnt sich der wahre Nutzwert dieser Erfindung abzuzeichnen: Zwar löst der Laser vorerst wohl keine weitere technologische Revolution aus; aber er ist so vielfältig anwendbar wie sonst nur die Elektronik.

Dabei begann dieser Erfolg als Labor-Kuriosität. Das Kunstwort »Laser« (für »Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation« -- etwa: Lichtverstärkung durch Anregen von Strahlung) bezeichnet einen physikalischen Vorgang, der dem Mitklingen eines Glases bei einem bestimmten starken Ton vergleichbar ist.

Laserstrahlen entstehen, wenn die Atome eines Stoffes mit Energie der ihnen eigenen Frequenz zum Mitschwingen angeregt werden. Beim ersten Laser, 1960 gebaut, wurde ein Rubinkristall auf diese Weise mit Blitzlicht zum Konzentrieren und Abstrahlen von Energie gebracht.

Gewöhnliches Licht, etwa von der Sonne oder von Glühbirnen, besteht aus relativ schwachen Wellen unterschiedlicher Frequenzen; bei der Brechung in einem Prisma wird das an den Regenbogen-Farben sichtbar. Ganz anders Laserlicht:

>Es ist in höchster Reinheit einfarbig ("monochromatisch") -- es schwingt nur auf einer Wellenlänge, doch kann die jeweilige Farbe je nach Laser-Medium (außer festen Stoffen wie Ruhm werden zum Beispiel Gase wie Kohlendioxid verwendet> in allen Bereichen des Spektrums vom Ultraviolett bis zum Infrarot abgestrahlt werden.

* Die einzelnen Lichtwellen schwingen im Gleichtakt (sind »kohärent").

* Die stärksten der sogenannten gepulsten Laser geben Energiestöße ab, die jeweils für Bruchteile von Millisekunden die Kapazität aller Kraftwerke der Erde übertreffen.

Jede dieser Eigenschaften suchen die Wissenschaftler besonders zu nutzen. Die hohe Energie von Laserstrahlen wollen sie vor allem für militärische Zwecke einsetzen, aber auch zum Zünden von Kernfusionen (siehe Seite 252).

Anwendungsreif hingegen sind bisher zumeist bescheidenere Laser-Geräte. So erlaubt es die Kohärenz des Laserlichts, damit wahrhaft dreidimensionale Photos -- Hologramme -- zu machen.

Die Holographie, anfangs nur verblüffendes Schaufenster-Dekor oder Disco-Zauberspiel, wird mittlerweile in Forschung und Industrie praktisch verwendet. Bei der Werkstoffprüfung etwa enthüllen Hologramme noch besser als Röntgenaufnahmen Klebefehler in Hubschrauber-Rotorblättern oder Schäden in Hochgeschwindigkeits-Autoreifen. Sie machen die Schwingungsbelastung von Schiffsschrauben sichtbar wie auch die Spannungen, die eine Hüftgelenk-Prothese im Oberschenkeiknochen erzeugt.

Kohärenz bedeutet, daß der einmal ausgerichtete Laserstrahl sein Licht nicht streut, sondern über weite Strecken gebündelt bleibt. Den spektakulärsten Beweis dafür lieferten Laser-Techniker, als sie einen von Apollo-Astronauten installierten Reflektor auf dem Mond anpeilten und den Widerschein auffangen konnten -- aus der Laufzeit des Lichtblitzes von der Erde und zurück berechneten sie die Entfernung des Trabanten genauer als je zuvor.

Nach demselben Prinzip werden nun Laser zu Vermessungsarbeiten in unzugänglichem Gelände -- im Gebirge, in Höhlen oder Steinbrüchen

verwendet. Auf Zentimeter genau vermaß etwa letztes Jahr ein Laser-System vom Empire State Building aus eine unübersichtliche Eisenbahntrasse zwischen dem New Yorker Stadtteil Queens und Union City in New Jersey.

Ein tragbares Gerät entwickelte die Bremer Firma Krupp Atlas-Elektronik für die Seefahrt. Schiffe können damit ihre Position zum Land oder zu Bojen bestimmen; cs hilft bei schwierigen Manövern wie dem Eindocken oder bei der Montage von Bohrplattformen. Da Laserlicht selbst nicht streut, sind auch winzige Hindernisse auf seinem Weg als Strahl-Störungen erkennbar. Diesen Effekt nutzen beispielsweise Geräte zur Oberflächenkontrolle schnell durchlaufender Werkstoff-Bahnen, so von Papier, Tafelglas, Walzblech oder Plastikfolie. Fehler, die sich nur als wenige Hundertstel Millimeter hohe Erhebungen abzeichnen, werden damit markiert.

Die hohe Energie, die Laserstrahlen auf kleinsten Raum konzentrieren, wird wiederum in Schweiß- und Schneidwerkzeugen genutzt. So entwickelte der Elektrokonzern Siemens ein Verfahren, Miniaturschaltelemente für das neue Telephon-Wählsystem der Bundespost zu verschweißen.

Das Brennschneiden mit Laserstrahlen ist bei der Herstellung von Blechteilen in kleiner Serie inzwischen weniger aufwendig als herkömmliches Stanzen, Sägen. Fräsen oder Abscheren. Kein Werkzeug verschleißt, und der Schrott-~ anteil bleibt gering, da das Licht nur 0,2 Millimeter breite Fugen brennt.

Auf der Einfarbigkeit des Laserlichts, der Tatsache also, daß es nur Energie einer Wellenlänge transportiert, beruhen schließlich viele Anwendungsmöglichkeiten in Chemie und Medizin. Da zum Beispiel dunkles Körpergewebe mehr Lichtenergie aufnimmt als helleres, werden nun mit den präzise steuerbaren Strahlen Muttermale, Tätowierungen und sogar pigmentreiche Hautkrebse enfernt.

Da Laserstrahlen sich in haarfeine Glasfasern einspiegeln lassen, konnten die Medizintechniker Sonden entwickeln, die etwa blutende Magengeschwüre oder Polypen und Zysten in den Atemwegen zerstören. Laser werden zwar nicht das Chirurgenmesser ersetzen, aber ergänzen und mitunter entbehrlich machen.

Eine friedliche Anwendung der Lichtbündel erprobt seit Anfang letzter Woche in Hamburg der Photo-Designer Horst H. Baumann, 35. Aus mehreren, auf hohen Gebäuden postierten Laser-Kanonen schießt er allabendlich eine blau-grün-rote Lichtplastik ("Laser-Environment") an den Hamburger Himmel, in Gestalt von Dreiecken mit mehreren Kilometern Schenkellänge.

Zum Objekt technischen Wettstreits zwischen den Supermächten andererseits könnte das Laserlicht wegen der enormen Energien werden, die es bündelt. Eines der Hauptziele, an dessen Verwirklichung US-Forscher ebenso verbissen arbeiten wie sowjetische Wissenschaftler, ist die Gewinnung von Brennstoffen für Atomkraftwerke aus natürlichem Uran mit Hilfe des hochenergetischen Laser-Lichtstrahls.

Das US-Wirtschaftsmagazin »Fortune« sieht bereits Strahlgeräte entstehen, »die James Bond krank vor Neid machen würden«. Damit, so konstatierte der amerikanische Fachjournalist Lee Edson im »New York limes Magazine«, haben die USA und die UdSSR ein neues Feld für ziviles und militärisches Wettrüsten erschlossen (siehe den folgenden Beitrag).

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