THEATER / DÜRRENMATT Reineres Nichts
»Was der Mensch mit der Erde anstellt«, der Schweizer Moralist Friedrich Dürrenmatt hat es oft genug gesagt, »ist großer Unfug.«
Er sagte es, so oder ähnlich, in pessimistischen Komödien ("Romulus der Große") und tragischen Farcen ("Meteor"), in Hörspielen ("Die Panne") und jenen Klassiker-Bearbeitungen ("Play Strindberg"), aus denen sein dramatisches OEuvre der letzten vier Jahre besteht. Und immer wieder sagte er, was er mit diesen satirisch zugespitzten Welt-Modellen erreichen wollte: daß »sich der Zuschauer analysiert wiederfindet«.
Dürrenmatt, 49, hat ein neues Stück geschrieben, das jetzt im Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführte »Portrait eines Planeten«. Auch diesmal kommt der Autor zu dem Schluß: »Das Verhältnis des Menschen zu seiner Erde ist paradox und selbstzerstörerisch.« Aber die Analyse kommt diesmal zu kurz.
Denn statt geschlossener, einleuchtender Parabeln bietet Dürrenmatt eine offene Form aus 25 zusammenhanglosen Szenen und überläßt dem Zuschauer die Deutung. Die Momentaufnahmen vom Vietnamkrieg, vom Rassenhaß, vom Fortleben des Faschismus und vom Treiben der jungen Hasch-Generation werden durch einen apokalyptischen Grundeinfall -- eine Sonnenexplosion zerfetzt den Erdball -- nur notdürftig zusammengehalten.
Und was der Autor an vermeintlich charakteristischen Wirklichkeits-Fragmenten darbietet, ist flaches Kabarett-Klischee. So läßt er einen Kunstmaler auftreten, der in seinen Bildern erst die Sujets und dann selbst die Rahmen weggelassen hat, »um das Nichts noch reiner darzustellen«. Eine Kommunardin, natürlich »frustriert«, plappert eine Schmährede gegen die Erwachsenen: »Wir haben es satt, den Gesetzen zu gehorchen, die ihr erfunden habt.« Ein Sozialpolitiker moralisiert im Stil des Professors Thielicke: »Der Mensch war freier geworden, aber er wußte mit seiner Freiheit nichts anzufangen.«
Das meint der vom Lauf der Welt vergrämte Pfarrersohn Dürrenmatt nicht etwa ironisch -- sein in schwarzen Komödien bewährter aggressiver Witz belebt das »Portrait« nur selten und mit wechselndem Erfolg:
»Ich mag nur Katzen«, scherzt eine Dame platt und beiläufig« »vielleicht, weil ein Löwe meinen Bräutigam gefressen hat.« Höchstens wenn ein Haufen Kannibalen von einem »Wohlfahrts-Komitee« seiner Human-Spezialitäten (Leber von Chinesen, Negern, Feuerländern) entwöhnt und zum Schweinefleisch bekehrt wird« erreicht die Komik die Bösartigkeit früherer Dürrenmatt-Grotesken.
Doch auch dieser grimmige Zug im kargen »Portrait« konnte Dürrenmatts »gewagtestes Stück« bei der Premiere sowenig retten wie die passable Inszenierung des Polen Erwin Axer auf der kahlen Arena-Bühne des Düsseldorfer Kleinen Hauses.
Vergebens mühten sich die Darsteller, vier Frauen, vier Männer, in ständig wechselnden Rollen um etwas Beckett-Stimmung -- es wurde »ein erbarmungswürdiger Abend« ("FAZ").
Warum der Düsseldorfer Hausherr Karlheinz Stroux seinem Theater diese Soiree nicht ersparen mochte, das jedenfalls ist leicht zu analysieren: Der Intendant hat den Erfolgsdramatiker als »Düsseldorfer Hausautor« (Dürrenmatt) akzeptiert und sich so die neueste von dessen begehrten Klassiker-Adaptationen gesichert. Im Dezember wird Dürrenmatts »Titus Andronicus« in einer Stroux-Inszenierung uraufgeführt.