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Revolver im Brautstrauß

aus DER SPIEGEL 14/1971

Voyou (Frankreich, Farbe).« Niemand«, behauptet der Franzose Claude Lelouch, 33, »kann das Medium Film mehr lieben als ich.« Sein erster Kriminalfilm jedoch beweist: Mit Liebe allein ist es wirklich nicht getan.

Statt einer kompakten Suspense-Story erzählt der früher mit mondänen Romanzen ("Ein Mann und eine Frau") erfolgreiche Regisseur nach eigenem Drehbuch gleich zwei -- die Geschichte einer Kindesentführung und die Moritat einer Flucht aus dem Knast. Doch er berichtet nicht hinter-, sondern durcheinander in Bruchstücken, so daß sich das Publikum erst am Schluß ein Bild machen kann. Es soll wohl nicht merken, wie wacklig Lelouchs Konstruktion ist.

So duldet beispielsweise ein Bankangestellter die Entführung seines Sohnes durch den Gangster-Anwalt Simon (Jean-Louis Trintignant) bei einem Sacha-Distel-Auftritt und läßt sich hinterher um seinen Anteil am Lösegeld (eine Million Dollar) prellen. Der vom betrogenen Vater verratene und gefaßte Kidnapper entkommt der Zelle, weil er als Zeuge zur Trauung eines Mitgefangenen geholt wird und im Brautstrauß doch tatsächlich ein Revolver versteckt ist.

So leicht macht es der Regisseur seinem Gauner, ein Held zu sein. So leicht macht er es auch sich selber: Wenn bei einem der Handlungsstränge Klarheit aufzukommen droht, riskiert er einen eleganten Schnitt und springt zum nächsten Thema -- wie er es in der Reklamebranche gelernt hat, für die Lelouch einst 200 Werbespots produzierte.

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