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NEU IN DEUTSCHLAND Roh ins Rohr

aus DER SPIEGEL 45/1966

Der zerrissene Vorhang (USA). Alfred Hitchcocks 50. Film ist matter und mauer als die meisten der 49 davor. Die Handlung ist kaum zu glauben: Der amerikanische Professor und Atomphysiker Armstrong (Paul Newman) will dem DDR-Physiker Lindt (Ludwig Donath) eine geheime Formel für die Antiraketen-Rakete entlocken und reist mit der verliebten Assistentin (Julie Andrews) in die DDR; zum Schluß müssen beide fliehen, und Hitchcock hat Zeit für grelle Greueltaten.

Die unterhaltsamste Szene des Farbfilms ist unblutig - ein Duell zwischen Armstrong und Lindt, das mit Kreide und mathematischen Formeln an einer Schultafel gefochten wird. Lindt sagt: »Sie haben mir nichts zu bieten« und bestätigt so den amerikanischen Wunderglauben an deutsches Forscherturm.

Ost-Berlin hat Hitchcock in Hollywood nachgebaut. Ein BMW 1800 kreuzt als DDR-Taxi, die Mauer kommt nicht vor

- Hitchcock: »Ich bin an Politik völlig

uninteressiert.« Grenzen fielen auch im Schlafzimmer: Anders als bislang im US-Film üblich (SPIEGEL 42/1966), darf der Professor mit seiner Assistentin nackt in einem Bett unter einer

Decke liegen und kichernd über die wilde Ehe nachdenken.

Schließlich beweist der Nicht-Thriller die Wahrheit eines Hitchcock-Satzes: »Es ist nicht leicht, einen Menschen umzubringen.«

Denn umständlicher als der DDR -Staatssicherheitsmann Gromek (Wolfgang Kieling) ist kaum eine Filmfigur gemordet worden. Armstrong umarmt Gromeks Hals, eine Helferin holt ein Schlachtermesser aus der Schublade und stößt es Gromek in die Brust. Dann behackt sie seine Beine mit einem Spaten, und zuletzt zwängen Armstrong und die Frau den immer noch nicht toten Gromek in das Backrohr eines Herdes.

Dann drehen sie das Gas auf.

Newman in »Der zerrissene Vorhang«

Mord im Herd

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