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FILM Romanze in Ulk

»Adolf und Marlene«. Spielfilm von Ulli Lommel. Deutschland, 1977. Farbe. 90 Minuten.
aus DER SPIEGEL 17/1977

Trendschmecker Ulli Lommel, ein cineastischer Hasardeur aus Fassbinders Dunstkreis, ahnte, was in der Luft lag: Hitler kehrt auf die Leinwand zurück. Hans-Jürgen Syberberg, feinsinniger Lotse durch die Strudel teutonischen Gemüts, hat soeben seine Version des Gröfaz abgedreht. Schlußpunkt seiner »deutschen Trilogie«, und Hitler-Biograph Joachim Fest wird rechtzeitig zur Berlinale seinen Film zum Buch vorlegen.

Da zudem das alte Gerücht, Goebbels hätte Marlene Dietrich heim ins Reich holen wollen, durch Spekulationen um die noch unveröffentlichten Memoiren des Altstars neue Nahrung bekam, war Lommels Story perfekt. In seinem Film taumelt Adolf nun in eine unglückliche Romanze mit Marlene.

Als Werbe-Gag für diese gewagte Love-Story hatte sich Lommel etwas Besonderes einfallen lassen: Die Dietrich selbst sollte dem Skandalfilm Starthilfe geben. Lommel führte den Film ihren Anwälten in Paris vor. Diese drohten erbost mit einer .einstweiligen Verfügung, falls Lommel den Titel nicht ändere, denn, so die Anwälte zutreffend, alles sei erstunken und erlogen. Lommel weigerte sich, versprach aber, einige Szenen nachzudrehen.

Die haben nun Marlenes Rolle noch eindeutiger und vergagter gemacht. Wartenden Reportern etwa, die sie nach ihrer Rückkehr aus Deutschland mit Fragen bedrängen, antwortet sie lächelnd, sie sei von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Zusatzfrage eines Journalisten: »Und sonst gar nichts?«

Auf solchem Niveau albert sich Lommel unbefangen und skrupellos durch die anekdotische Mythologie des Dritten Reiches.

Hitler, der Teppichbeißer, der Hundefreund, der Wagner-Freak, der Kuchenfresser -- kein Klischee wird gescheut, wenn es nur halbwegs amüsant wirkt. In der Reichskanzlei spielt Adolf zu Wagner-Klängen »Schiffchenversenken« mit seinem Kammerdiener und trällert auf den Höhen des Obersalzbergs den Erzherzog-Johann-Jodler im Duo mit einem SS-Mann (von Fassbinder gespielt, der darob erbost gegen das »faschistoide Machwerk« ebenfalls rechtliche Schritte erwägt).

Wieselflink kehrte Lommel Sachzwänge in Gagversuche um. Weil ihm die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung und die Direktion der Münchner Glyptothek für einen Hitler-Film wohl keine Dreherlaubnis bewilligt hätten, ließ er Hitler-Darsteller Kurt Raab kurzerhand ohne Bärtchen agieren. Den Schnauzer, so belehrt der Diktator Goebbels in einer nachgedrehten Szene, trage er grundsätzlich nur zu offiziellen Anlässen.

Lommel schielt bei seiner Satire nach Chaplin und Mel Brooks, ohne jedoch den moralischen Impetus des einen und die abstruse Phantasie des anderen zu haben. Viele Gags bleiben im Klischeegestrüpp hängen, manches ist hübsch harmlos gelungen.

Völlig in nostalgischen Imitationszwang verfällt Lommel in den Marlene-Dietrich-Szenen. Margit Carstensen bemüht sich zwar redlich, mit dunkler Stimme ihrem Vorbild gerecht zu werden, strahlt aber doch nur den Sex-Appeal eines Kleiderständers aus.

Zu ihrem verächtlich akzeptierten Rendezvous mit Adolf hat sich Lommel nicht viel einfallen lassen. Die Diseuse trifft ihn während einer »Rienzi«-Aufführung vor leerer Bühne, später fliegt Adolf nach Casablanca, wo sie in einem Nachtclub auftritt. Beide Male kommt es zu nichts.

Ernst nehmen kann man diese gedankenlose Travestie kaum. Eine gefährliche Verharmlosung des Faschismus ist Lommels Film sicher nicht, weil er sich auf Ideologisches erst gar nicht einläßt. Bequem verulkend zitiert er lediglich bekannte Posen und berüchtigte Kernsätze. Zur provokanten Verhöhnung teutonischen Wahns reicht das nicht. Wolfgang Limmer

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