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KINO Schiffbruch mit Tiger

Schlechtester Film, schlechteste Schauspielerin? Egal: Mit der Rekordromanze »Stürmische Liebe - Swept Away« wagt sich Madonna jetzt in die deutschen Kinos.
aus DER SPIEGEL 25/2003

Liebe macht, unter anderem, blind; ein verliebter Filmregisseur ist also quasi berufsunfähig - vor allem, wenn das Objekt seiner Begierde vor der Kamera steht. Falls die Angebetete nicht nur steht, sondern auch liegt, und zwar in den Armen eines anderen, wird es besonders heikel.

Bei Madonna Louise Veronica Ciccone, 44, im Hauptberuf Popstar, und Guy Ritchie, 34, im Hauptberuf Madonnas Ehemann und auch als Regisseur von zwei rasanten Gangsterfilmen aufgefallen, war natürlich alles ganz anders. »Sie war billig und hatte Zeit«, gab Ritchie als Erklärung an, warum er ausgerechnet seine Gattin für die Hauptrolle in »Swept Away« verpflichtet hatte.

»Swept Away« ist Ritchies Neufassung des italienischen Films »Hingerissen von einem ungewöhnlichen Schicksal im azurblauen Meer im August« (Regie: Lina Wertmüller), einer kruden Mischung aus Klassenkampf und Softporno von 1974. Darin strandeten eine reiche Zimtzicke und ein armer (lies: kommunistischer) Fischer auf einer einsamen Insel, wo sich die bisherigen Machtverhältnisse umkehrten: Er durfte jetzt ungestraft den Macho raushängen lassen, sie musste ihm zu Diensten sein, in jeder Hinsicht. »Sodomiza mi!«, lautete der einschlägige Befehl. Am Ende, o sodo mio, wurde es natürlich trotzdem die große Liebe.

Die gute Nachricht ist nun, dass Madonna und ihr Filmpartner Adriano Giannini unter Ritchies Aufsicht vergleichsweise gesittet übereinander herfallen (FSK-Freigabe: ab 12 Jahre); die schlechte, dass »Swept Away« gleichwohl eher ungnädig aufgenommen wurde. Das amerikanische Publikum floh in Scharen - falls Osama Bin Laden ein menschenleeres Versteck suche, müsse er sich nur »Swept Away« im Kino ansehen, höhnte die US-Presse. In Madonnas Wahlheimat Großbritannien landete das Werk gleich in den Videotheken, und bei den »Razzie Awards«, Hollywoods Anti-Oscars, gewann »Swept Away« fünf Goldene Himbeeren - schlechtester Film, schlechteste Schauspielerin, schlechteste Regie, schlechtestes Remake, schlechtestes Filmpaar.

Man muss also den Mut der Columbia Tristar bewundern, den »kontrovers diskutierten Film« (Verleihwerbung) diese Woche unter dem windigen Obertitel »Stür-

mische Liebe« trotzdem in die deutschen Kinos zu bringen. Tatsächlich dürfte das Werk gleich zwei Zielgruppen ansprechen: Leute, denen Madonnas bisherige Schauspielversuche ("Body of Evidence«, »Evita") gefallen haben, sowie die Freunde unfreiwilliger Komik. Letztere dürften in der Überzahl sein.

Es geht schon damit los, dass Madonna in »Swept Away« Amber Leighton heißt, in Wahrheit der Name von Ritchies Mutter. Auch gibt Madonna anfangs - als Gast an Bord einer feudalen Yacht - die jähzornige Diva vom Dienst derart überzeugend, dass man an Schauspielerei nicht recht glauben mag. So richtig zur Furie wird die Dame freilich erst, als sie mit dem von ihr gedemütigten jungen Borddiener Giuseppe bei einem Schlauchboot-Ausflug irgendwo zwischen Griechenland und Italien Schiffbruch erleidet. Kaum auf einer Insel angeschwemmt, rächt sich der Domestike und wird zum Tiger; seine Ex-Herrin muss gehorchen: Holz sammeln, Tintenfische putzen, den Mund halten, unter freiem Himmel schlafen. O-Ton Giuseppe: »Die kühle Nacht soll die letzten Reste an Bestie in dir besiegen.«

Warum sich die beiden, nach einem halbherzigen Vergewaltigungsversuch, trotzdem ineinander verlieben, bleibt dem Zuschauer ein Rätsel. Immerhin beginnt man zu ahnen, warum Madonna sich auf dieses Robinson-Spiel mit Anfassen eingelassen haben könnte. »Du«, klagt sie ihren Insel-Galan an, »musst ja nicht mit 18-Jährigen konkurrieren!« Doch der, ganz brünstiger Kavalier, spendet Trost: »Ich bin ein Mann, und ein Mann will eine Frau.«

Vielleicht sollte Guy Ritchie diesen Liebesschwur für Madonna in Zukunft jeden Tag leisten - am besten ganz privat, ohne Kamera. MARTIN WOLF

* Mit Michael Beattie, Bruce Greenwood.

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