PHILOSOPHIE Schritt für Schritt
Mit einem neuen »Elementarkurs Philosophie« will ein Düsseldorfer Professor seine Leser in das denkende Erkennen einüben - und nicht etwa, wie gewohnt, in eine hausgemachte Privat-Philosophie oder gar in eine Partei-Ideologie.
Alwin Diemer, 57, Ordinarius und Institutsdirektor an der Universität Düsseldorf, ist nicht nur Philosoph, sondern auch promovierter Mediziner und Fachmann für Informationswissenschaft. Seit 4 Jahren wird an seinem Institut eine jedermann zugängliche, computerdirigierte und durch Mikrofilme erweiterte Datenbank für die weitläufige internationale Zeitschriftenliteratur der Philosophie aufgebaut.
Mit seinem Grundkurs will Diemer den Lesern Informationselemente eines Wissens anbieten, das in die überaus komplexen, in zahlreiche Bereichswissenschaften zersplitterten Problemfelder der Philosophie einführen soll. Bislang sind zwei Bände erschienen*. Ein Band über »Philosophische Anthropologie« wird spätestens im nächsten Frühjahr herauskommen.
Der Versuch, dem Studium der Philosophie eine umfassende Informationsbasis, also gleichsam eine moderne Enzyklopädie ihrer Teilwissenschaften ohne angemaßten Unfehlbarkeitsanspruch zu geben, könnte die philosophische Arbeit an den Universitäten - und nicht nur sie - neu orientieren.
Als moderner Kommunikationswissenschaftler verwirft Diemer das bislang übliche Verfahren, philosophische Propädeutik (Elementarlehre) ausschließlich als Einführung in das Denken des jeweiligen Autors zu betreiben.
Statt dessen will er in seinem Grundkurs eine streng gegliederte, zahlenmäßig klassifizierte, argumentativ Schritt für Schritt voranschreitende Übersicht der »Grunddisziplinen«, etwa »Allgemeine Logik«, der »Bereichsphilosophien«, etwa »Sprachphilosophie«, und der »Sonderdisziplinen«, etwa »Dialektik«, liefern.
In seiner Einführung zum ersten erschienenen Band, der »Dialektik«, betont Diemer denn auch programmatisch: »Was (bislang) fehlt, ist ein allgemein orientierender Elementarkurs, der umfassend und möglichst frei von Wertung informiert.«
Dieses Ziel, genau, gründlich und vorurteilslos zu informieren, statt dem Leser sogleich die eigene Meinung als alleinseligmachende Wahrheit vor den Kopf zu schlagen, scheint hierbei entscheidend zu sein.
Informationen sind für Diemer nicht um ihrer selbst willen da, sondern immer nur als Werkzeuge oder Wissensangebote, die den Philosophierenden helfen sollen, das Wort- und Begriffsfeld eines Grundproblems, dessen Geschichte und die genauen Argumente der über es streitenden Schulen und Positionen zu vergegenwärtigen.
Niemand kann danach jedoch dem einzelnen die Entscheidung darüber abnehmen, auf welchen Weg des Erkennens er sich begibt, welche Argumente welcher Position ihm als zwingend erscheinen - nachdem er sich über sie alle, und zwar eben nicht, wie derzeit üblich, durch die dogmatische Polemik der Gegenseite, informiert hat.
Dieser nüchtern-wertfreie Informationserwerb ist die unabdingbar notwendige Voraussetzung des philosophischens Denkens. Nicht zufällig hat Diemer als Themen der ersten Bände die »Dialektik« und die »Hermeneutik« (die Lehre vom Verstehen) gewählt.
Die Dialektik ist derzeit als Methode oder System der Philosophie oder gar als utopisches Allheilmittel für die Sünden der Väter in aller Munde. Wer aber ist schon genau und umfassend über sie informiert? Oft genug nicht einmal ihre Anhänger und Gegner.
Und über die Aktualität der Hermeneutik schreibt Diemer: »Nur dort, wo man sich nicht mehr selbstverständlich versteht ... wird das Sichverstehen ein Problem, bedarf es einer Hermeneutik« - die dem Menschen überhaupt erst »das Verstehen des Verstehens« erschließt.
Diemer will also mit seinem großen Experiment auch eine simple Wahrheit ins Gedächtnis zurückrufen, die den neuen Gläubigen in der Philosophie durch uferloses, pseudo-emanzipatorisches Geschwätz verlorengegangen ist: erst Information - und dann Diskussion.
* Alwin Diemer: »Elementarkurs Philosophie. Dialektik«. Econ Verlag, Düsseldorf/Wien; 224 Seiten; 26 Mark.
Alwin Diemer: »Elementarkurs Philosophie. Hermeneutik«. Econ Verlag, Düsseldorf/Wien: 296 Seiten; 34 Mark.
Philosoph Diemer Informieren statt dozieren