JAZZ / DOLDINGER Schwarze Kunst
Seine Seele, schwärmen seine Anhänger, ist schwarz, und mit ihr bläst er Saxophon wie die Jazzer aus Harlem.
Der blonde, deutsche Düsseldorfer Klaus Doldinger, 31, ist der diesjährige Favorit der Jazz-Juroren ("Twen"), und seine Kunst wirkt wie ein Wunder: »Nie zuvor«, schrieb ein Herr der »Welt«, »habe ich von einer europäischen Jazz-Combo so schwarze Musik gehört.«
Auf seiner jüngsten Jazz-Platte« »Doldinger Goes On«, improvisiert er zu Orgelakkorden, Trommel-Beat, Gitarren-Sound und dröhnendem Tambourin; die ekstatischen Ton-Stücke aus Gospel-, Blues- und Pop-Partikeln stehen der Seelenmusik amerikanischer Vorbilder, etwa des Altsaxophonisten Cannonball Adderley, an Dynamik nicht nach -- und an Effekt auch nicht.
Als die Doldinger-Vier 1965 beim Ball des Düsseldorfer Amateur-Jazz-Festivals den neuen Klang erstmals erprobte, mußten ohnmächtige Mädchen aus dem Saal getragen werden. Dezenter war das Entzücken, das Doldinger vorletzte Woche auf einer Party im Hause der Düsseldorfer Waschpulverfabrikanten-Gattin Gabriele Henkel weckte; zwischen Gedichtvorträgen blies er milder.
Die schwarze Kunst des Instrumentalisten wirkt auch jenseits aller Grenzen: Als Privatmann oder als Gesandter des Goethe-Instituts hat er schon 33 Länder bespielt. Die Auslandpartien sind dem Künstler Herzenssache -- als »Public Relation für Deutschland«.
Außer fürs Vaterland wirbt Doldinger auch für Persil. Er hat an die 200 Werbespots musikalisch untermalt; auch die Kenn-Melodie vor Farbsendungen der ARD hat er komponiert; denn Doldinger ist nur die Hälfte seiner Zeit Musikant. Die andere Hälfte sitzt er komponierend am Klavier, oder er arrangiert -- etwa Songs für das Gesangs-Duo Abi und Esther Ofarim.
»Wirtschaftlich«, sagt Doldinger, »bin ich nicht darauf angewiesen zu spielen.« Er tut es, um »mit der lebendigen Musik unserer Zeit verbunden zu bleiben«. Die räumlichen Entfernungen zwischen den verschiedenen Tätigkeiten überbrückt er, zuweilen im 200-Kilometer-Tempo, mit seinem Mercedes 300 SE Coupé Automatic.
Doldinger arbeitet häufig in Münchner Tonstudios; sein Bungalow steht in Düsseldorf, im Garten seiner Schwiegermutter, deren blonde Tochter Inge, ein Photo-Modell, er vor sieben Jahren geheiratet hat.
Bärenfell und Schaukelstuhl, Mack-, Richter- und Klapheck-Bilder zieren ein gediegenes Heim, und auch sonst ist Doldinger kein hastiger Bohemien: »Ehe ich an einen Würstchenstand gehe«, sagt er, »esse ich gar nicht.«
In seinem Arbeitszimmer stehen ein Spinett, ein Klavier, zwei Klarinetten und vier Saxophone bereit; am Klavier ist er allerdings »nicht über Beethoven-Sonaten hinausgekommen«.
Mit elf Jahren drückte Doldinger zum erstenmal die Tasten. Sein Vater, heute Abteilungspräsident der Oberpostdirektion Stuttgart, hatte die Familie von Berlin über Wien nach Düsseldorf geführt, wo der Knabe neben dem Gymnasium auch das Konservatorium besuchte.
Seine erste Jazz-Band, »The Feetwarmers«, gründete Doldinger mit 16 Jahren, und im Winter 1960 war er schon Ehrenbürger der Stadt New Orleans: Als Sieger eines Amateurwettbewerbs bereiste er auf Kosten der Firma Coca-Cola die USA und wurde in der Jazz-Stadt honoriert.
Zwei Jahre später formierte er schließlich das Quartett, das ihm Ruhm und Reisen brachte und dessen Platten-Aufnahmen, vier bislang, auch Funkstationen gern auflegen: »In jedem Funkhaus gibt es Leute, die meine Platten senden,«
Nicht alle Doldinger-Platten. Denn als der Jazzer unterm Künstlernamen »Paul Nero« auch Pop-Musik spielte, schlossen ihn die Jazz-Schamanen von der Funk-Verbreitung aus.
»In Deutschland«, sagt Doldinger, »darf ein Jazzer nur Jazz spielen, und möglichst nur eine Richtung.« In den USA dagegen seien Pop-Orchester oft zu 80 Prozent mit Jazz-Musikern bestückt; die Jazz-Veredlung mache Pop-Melodien »viel frischer«.
Als Jazzer improvisiert Doldinger meist über eigene Themen, denn das »ist fast die einzige Möglichkeit, sich gegen den US-Jazz abzusetzen«. Jetzt komponiert er an einem Auftrags-Werk für Symphonie-Orchester und Doldinger-Quartett.
Paul Nero pausiert derweil nicht. Letzte Woche kam »Neros Hit Party«, Doldingers fünfte Pop-Platte, auf den Markt.