Zur Ausgabe
Artikel 47 / 64

AFFÄREN Schwedische Gardinen

Stockholms Steuerbehörden haben Ingmar Bergman vertrieben. Wer ist der Dumme?
aus DER SPIEGEL 19/1976

Als Schwedens berühmtester Steuerzahler vorletzte Woche sein Vaterland verließ, zog er den Schlußstrich unter eine Rechnung, die ihm das Finanzamt präsentiert hatte -- es war eine Milchmädchenrechnung.

Aufgrund einer absurden Steuerforderung hatte der Fiskus vom Regisseur Ingmar Bergman für 1971 mehr Abgaben verlangt, als er mit seiner (inzwischen aufgelösten) Firma in der Schweiz eingenommen hatte: rund. 300 000 Mark. Der Steuerschuldner wurde vorübergehend, aber brutal, hinter schwedische Gardinen gebracht.

Bergman hatte für 1974 sein Schweizer Kapital, 2,172 Millionen Kronen (eine Krone gleich 0,58 Mark) nach Schweden eingeführt und dort als Aktiengewinn mit zehn Prozent versteuert Der Fiskus sah dagegen in dem Betrag ein persönliches Einkommen und wollte es höherprozentig kassieren. Schlimmstenfalls würde der Gewinn demnach zweimal geschröpft: einmal als Firmeneinnahme, zweitens als privates Einkommen, ergo -- so Bergman -zu einem Steuersatz von 139 Prozent.

Bergman wählte die Flucht, aber sein Geld ließ er im Land: »Ich lasse mein Vermögen in Schweden, es steht dem Finanzamt zur Verfügung.«

Trotzdem verliert der Fiskus. Nach Rechnung von Harry Schein, Direktor des schwedischen Filminstituts, gehen der sozialdemokratischen Monarchie jährlich zwischen fünf und zehn Millionen versteuerbare Kronen durch die Lappen, weil Bergmann nicht mehr in Schweden filmen will.

Inzwischen plant Bergman in Hollywood seine Zukunft ohne Schweden. Mit Dino de Laurentiis ("Ein Mann sieht rot") bereitet er einen Film über die frühe Nazizeit vor.

Während Bergman vor Zukunftsplänen strotzt, blicken Schwedens Sozialdemokraten wie paralysiert auf seinen Abgang. Denn ihr bisheriger Parteigänger ist nicht der einzige Prominente, der Schwedens Finanzbürokratie blamiert. Auch seine Schauspielerin Bibi Andersson, von den Polizeibütteln noch drastischer angefaßt und eingelocht ("Sie benahmen sich wie Nazis"), will seinem Beispiel folgen.

Autorin Astrid Lindgren ("Pippi-Langstrumpf") hatte zuvor schon in Form eines Märchens Schwedens widersinnige Steuerpraktiken ("102 Prozent") verspottet, die nun aufgrund einer Initiative der konservativen Partei im Parlament geändert werden sollen.

Obwohl Bergman erklärt, daß sich sein Trotzschritt nicht gegen die seit über vierzig Jahren regierenden Sozialdemokraten richte, befürchtet Schwedens Premier Olaf Palme, daß dessen Landflucht »von reaktionären Kräften ausgenützt werden kann«.

Flüchtling Bergman zitiert seinen Landsmann Strindberg: »Paß auf, Teufel, wir treffen uns in meinem nächsten Stück.«

Zur Ausgabe
Artikel 47 / 64
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren