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Seelen-Krimi ohne Mord

aus DER SPIEGEL 51/1991

Unter den jungen deutschen Autoren ist er einer der diskretesten, und den sogenannten Literaturbetrieb meidet er nach Kräften: der Erzähler und Lyriker Jan Koneffke, 1960 in Darmstadt geboren, 1987 mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnet. Er überzeugt als Filigrantechniker inmitten von bedeutungsschweren, sprachbeladenen Kollegen. Sein jüngstes Buch ist ein seltsam eindringlicher Kriminalroman ohne Mord und Mörder, der das Genre zugleich ironisch auf den Kopf stellt. Er erzählt von einem Mann, der spurlos aus der Allerweltspension »Zum Sonnenhofpark« verschwunden ist.

Kommissar Berger, kurz vor seinem Dienstjubiläum stehend, fühlt sich auf merkwürdige Weise zu dem Gesuchten hingezogen. Die einzigen Hinweise, die er hat, sind ein Koffer und die Brieftasche des Abgetauchten mit einem gefälschten Ausweis auf den nicht eben seltenen Namen Schwarz. »Komm gleich zurück«, steht auf einem Zettel, den Schwarz in seiner letzten Bleibe hinterlassen hat.

Der verschlafene hessische Kurort, in dem er sich aus der registrierten Wirklichkeit verabschiedete, hat es mit den Angeschlagenen, Beschädigten zu tun; um Verschwundene mag man sich dort nicht auch noch kümmern. Berger aber interessiert sich für den Mann, als ginge es um seine eigene Identität; auch seinen Mitarbeitern scheint der Kommissar sonderbar verbohrt. Immer mehr wird der Fall Schwarz zum Fall Berger.

»Bergers Fall« ist eine Art Seelen-Krimi für zweifelnde Geister; ein Buch, das seine Spannung aus dem vertrackten Zusammenhang von Rolle und Existenz, Schein und Sein bezieht.

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