HUMOR Seriöse Sache
Aus einem Dutzend Ländern waren 150 gelehrte Männer, Psychologen und Psychiater, Sprachforscher, Sozialwissenschaftler und Historiker nach Tel Aviv geflogen. In 128 Referaten gab es aber nur wenig zum Lachen. Humor, sagte der Tagungsvorsitzende, der Pädagoge und Psychologie-Professor Avner Ziv, 53, sei »eine äußerst seriöse Sache«. Und außerdem lasse er sich schwer erklären. Ziv: »Sinn für Humor ist das, was ich zwar habe, die anderen aber nicht.« Ephraim Kishon, Autor von etwa 50 sogenannten humoristischen Bestsellern, gab immerhin zu, auch er wisse nicht, was Humor sei.
Ein amerikanischer Professor stellte die ganze Konferenz in Frage: Jeder Versuch einer Analyse von Humor könne tödlich enden. Wie der Frosch im Biologie-Labor sterbe auch der Humor, werde das Seziermesser erst einmal angesetzt. Schließlich habe Humorologie mit Humor genau so wenig zu tun wie Sexologie mit Sex. Die Humoristentagung lieferte den Beweis.
Zur Debatte standen so fröhliche Themen wie »Strukturelle Affinitäten zwischen Komik und Erhabenheit in der bildlichen Vorstellung«, oder »Vom jüdischen Witz zum Humor im 16. Jahrhundert Spaniens« - die lustige Seite der Inquisition.
Die meisten Humorforscher erwiesen sich angesichts echter Witze als schwer von Begriff. Auf Anhieb verstanden sie einen Witz nur selten. Beim zweiten Erzählen lachten sie oft nicht. Erst beim dritten Mal brachen sie gewöhnlich in schallendes Gelächter aus, meinten dann aber stets: »Den kennen wir ja schon.«
Höfliche Angebote von Zuhörern, »einen guten« zu erzählen, lehnten die Humor-Profis ab. Einer schmetterte einen humoristischen Amateur mit den Worten ab: »Heben Sie sich doch Ihren Witz für eine bessere Gelegenheit auf.« Er hatte recht.
Die Humorologen in Tel Aviv wollten eben nicht lachen, sondern forschen. Dazu mußten erst einmal einige banale Hypothesen formuliert werden: Der Witz tröste den Menschen über den grauen Alltag hinweg (so Professor Ziv), er könne in der Satire »eine verheerende Waffe sein« (Kishon) und habe sogar eine therapeutische Wirkung, wie es ein Referent über »Humor als Angst-Stiller bei kindlichen Zahnpatienten« behauptete. Außerdem sei Humor ein natürlicher Schatz und keine ansteckende Krankheit.
Professor Jones von der University of Chicago bewies sogar an Hand von Tabellen, daß es angebracht sei, bei Beerdigungen Witze oder lustige Anekdoten aus dem Leben des Verstorbenen zu erzählen. Auch bei wissenschaftlichen oder politischen Vorträgen seien Witze ratsam, doch nicht mehr als drei oder vier in einer Stunde, »sonst vergessen die Hörer, worum es geht«.
Humor, so erfuhren die Humorologen in Tel Aviv, helfe außerdem, allerlei seelische Komplexe zu überwinden: So können auch die Witze über Sex erklärt werden, die - immerhin - in den Wandelgängen der Tel Aviver Tagung zirkulierten. Beispiel: Der Gatte fragt seine Frau im Bett, ob sie denn nie den Wunsch empfinde, mal ein Mann zu ein. Ihre Antwort: »Nein. Und du?«
Während der ersten zwei Kongreßtage war ausschließlich von jüdischem Humor die Rede. Den amerikanischen Humoristen Art Buchwald wunderte das nicht: »Gibt es denn überhaupt anderen?«
Sogar Freud - Autor einer nie vollendeten und nicht veröffentlichten Sammlung jüdischer Witze - hatte schon erklärt, niemand lache lauter über sich selbst als die Juden, weil das ihre Selbstsicherheit, ihre Identität und ihren Zusammenhalt als Gruppe stärke.
Doch die alten jüdischen Witze, eine mit Wehmut und Demut gepaarte ironische Selbstkritik - etwa unter dem Motto »lerne klagen, ohne zu leiden« -, sie sterben aus.
Wohl wurde versucht, den klassischen jüdischen Witz zu »israelisieren«. Aber auf dem Weg ins Heilige Land hat er seine Intimität verloren. Wenn der israelische Finanzminister im Fernsehen sagt, »was ich sage, meine ich nicht, und was ich meine, sage ich nicht«, dann ist das zwar witzig, aber leider auch sehr politisch. Womöglich ist es sogar die reine Wahrheit und insofern nicht komisch in einem Land, das seit Jahren unter unfähigen Finanzministern und dreistelligen Inflationsraten leidet.
Überhaupt gebe es nur wenig wirklich neue politische Witze, hieß es auf der Tagung. Meistens werden abgedroschene Anekdoten von einem Land auf ein anderes übertragen. Für fast alle Nationen anwendbar sei zum Beispiel folgendes Frage- und Antwortspiel:
Frage: Der Ministerpräsident und der Finanzminister fallen aus dem Flugzeug. Wer wird gerettet? Antwort (natürlich): Der Staat.
Daß Israels Staatsführung die Zielscheibe von überdurchschnittlich viel Scherzen ist, erklären die Humorologen damit, daß die Juden »nie zuvor eine eigene Regierung hatten, die sie bewitzeln konnten«. Beispiel: Einem Finanzminister wurde vorgeworfen, er habe dem Volk vor den Wahlen das Blaue vom Himmel versprochen, aber dann keine seiner hochgemuten Zusagen gehalten. Antwort des Politikers: »Was ist denn los? Darf man nichts mehr versprechen?«
Zum Abschluß der Tel Aviver Tagung wurde schließlich ein »Humorologie-Preis der Wissenschaftler« an Ephraim Kishon vergeben, der in einer Laudatio als »bester Humorist unserer Zeit« gepriesen wurde. Bemerkte einer der Humor-Gelehrten mit professoraler Ironie: »Wenn das alle sagen, muß es wohl falsch sein.«
Das könnte ein Thema der fünften internationalen Konferenz über Humor werden, die schon 1985 im irischen Cork tagen wird.