FERNSEHEN Sieh mein Kätzchen
Die WDR-Redakteurin Lisa Kraemer wurde von Skrupeln geplagt. »Soll ich«, so fragte sie sich immer wieder, »diesen Film wirklich über den Äther jubeln?« Der Film, ein Sexreport über eine Hamburger Hausfrau, wurde gesendet -- mit einem »sensationellen« Echo.
In Briefen, Telegrammen und Anrufen empörten sich Zuschauer, daß »ausgerechnet am Nachmittag und damit vor Kindern« eine »typisch deutsche Supersau« im Fernsehen zu Worte käme. Andere, Verständigere sprachen dem Kölner Sender ihre »höchste Anerkennung« aus und sagten »Besten Dank«. »Der Herrgott«, notierte eine Dame, »hat einen großen Garten. Man muß eben alle Ansichten respektieren«.
Den Meinungsstreit hatte am letzten Donnerstag ein um 16.20 Uhr ausgestrahlter Beitrag des WDR-Frauenmagazins »Das Podium« in Gang gebracht. In dem Bericht -- Titel: »Hausfrau, verheiratet, 7 Kinder, sucht Begegnung in Körper, Geist und Seele« -- war die Bankprokuristen-Frau Helga Goetze aus Hamburg-Fischbek mit offenherzigen Bekenntnissen über Familie, Liebe und Sex an die Öffentlichkeit getreten.
Die korpulente Frau Helga, 51, hatte sich in ihrer 31jährigen Ehe mehr und mehr »wie eine schmutzige Hure« gefühlt. Bettpflichten konnte sie nur noch »mit geballten Fäusten« ertragen. Erst als sie mit 47 und schon darauf eingerichtet, »eine Matrone zu werden«, in Sizilien einen feurigen Giovanni kennenlernte, fand sie wieder Gefallen am Liebesspiel.
Im Reeperbahnblatt »St. Pauli Nachrichten«, so gab sie vor der Kamera zu Protokoll, suchte sie fortan »intelligente Begegnungen«, um »einmal in der Woche meinen Spaß zu haben«. Ein besonders potenter Gespiele verhalf ihr dabei zum ersten Orgasmus.
Die außerehelichen Amouren wirkten sich positiv auf das Goetzesche Familienleben aus. Ehemann Curt belehrte seine Gattin, daß die »Sexualität nichts mit der Liebe zu tun hat« und ließ sie gewähren. Auch die Töchter Swanhild, 14, Mechthild, 17, und Adelheid, 19, fanden es richtig, »das zu tun, was einen glücklich macht«. Die Mutter, so lobten sie, sei »jetzt auch viel netter geworden«.
Mit dem Segen der Familie eröffnete die Dame mit dem vergnügten Unterleib schließlich sogar im Fischbeker Einfamilienhaus ein »Institut für Sexualinformation« und richtete sich ein eigenes Boudoir für ungestörte erotische Geselligkeit ein.
Auch in der Außenwelt wurde Frau Helga aktiv. Im Hamburger Jugendzentrum »Fabrik« wirkte (und wirkt) sie jeden Donnerstag als Sexualberaterin und Vortragskünstlerin saftiger Liebeslyrik. Text des Poems »Ficken im Mai": »Süßes Schwänzchen, sieh mein Kätzchen / schnurrt und ruft so sehr nach dir. / Denn die Höhle friert allein. / Gib ihn mir, von dir zu mir.«
Solche »sehr, sehr bereitwillig« (WDR-Redakteurin Kraemer) ausgebreiteten Konfessionen wurden in der »Podium«-Sendung vor Studio-Gästen diskutiert. Doch während die männlichen Gesprächsteilnehmer Helga Goetzes Seitensprünge gerne tolerierten, stieß die Libertinage bei den Damen auf Mißfallen. Sie rügten den »geistigen Exhibitionismus« (so die Ärztin Hedda Heuser, FDP) und bekundeten -- genau wie Unterprimanerinnen im Publikum -- ihre gewachsenen Bindungen an Treue und Monogamie.
Helga Goetze fühlt sich von dem Report dennoch in ihren Ansichten bestätigt. Nach der Sendung, die sie »zufrieden« zu Hause mit ihren Kindern betrachtete, hörte sie »von sehr vielen Anrufern fast nur positive Reaktionen. Die Leute, meldet Tochter Swanhild, »bewunderten meine Mutter für ihren Mut und wollten mit ihr auch über ihre sexuellen Probleme sprechen«.
Ein bißchen »verärgert« über das »überdimensionale Aufsehen« des Hausfrauenreports ist die WDR-Redakteurin Kraemer. »Ich hätte es lieber«, sagt sie, »wenn eines unserer nächsten 'Podium'-Themen, etwa »Das Recht des Kindes', auch soviel Wirbel machen würde.«