Noch unter Peter Stein war sie als große Schauspielerin tätig, doch war das nicht mehr ganz ihre Zeit. Der sie entdeckt hat, war Gustaf Gründgens, mit dem sie in Düsseldorf und Hamburg ihre Triumphe feierte.
In Hermannstadt wurde sie 1922 geboren, und tatsächlich hörte ich sie mit dem Dirigenten Sergiu Celibidache, der auch aus Siebenbürgen kommt, Rumänisch sprechen. 17 Jahre war sie alt, als sie zur Theaterausbildung nach Berlin kam. Dort begegnete sie auch ihrem Lebensmenschen, Jürgen Fehling - zu jener Zeit der wohl bedeutendste deutsche Regisseur. Er hängte ihr den Namen »erotische Nachtigall« an, doch wenn es schrille Nachtigallen gibt, dann war sie eine. Er machte aus ihr »die Gorvin« und wurde dann krank.
Das Hebbel-Theater in Berlin wurde wiedereröffnet, Frau Gorwin 1947 als Sabina in Thornton Wilders »Wir sind noch einmal davongekommen« engagiert (Foto). Das Paar Fehling/Gorvin machte Berlin als Theaterstadt weltberühmt, etwa mit Sartres »Fliegen« (1948) oder, ein ebenso großer Erfolg für beide, Ibsens »Nora«.
Ihrem Entdecker Gustaf Gründgens folgte sie Ende der fünfziger Jahre nach Düsseldorf und Hamburg - in eine theaterselige Zeit. Im Deutschen Schauspielhaus sah man sie in Strindberg-Rollen wie »Fräulein Julie« oder als Alice im »Totentanz«. Politisch interessiert, querköpfig, mischte sie im Rathaus mit. Legendär, wie sie für die Hamburger war, denken viele noch heute, all das, was seither an Hamburgs Bühnen aufgeführt worden ist, wäre unter »Gustaf dem Großen« und mit einer »Gorvin« nicht möglich gewesen.
»Klirrend kluger Hohlklang« wurde ihr nachgesagt - was Kritikern nicht so alles einfällt! Sicher, sie war eine zerbrechliche Mädchenfrau, eine hochsensible Heroine und eine elegante, modern-nervige Charakterspielerin. Sie war, in einem, die große Dame der Gründgens-Ära in Hamburg, noch heute gefragt, wenn sie nur noch gekonnt hätte.
Den Hamburger Theatergängern wird ihre Hauptrolle in »Don Gil von den grünen Hosen« in Erinnerung bleiben; es war tatsächlich, wie ihr Kollege Volker Brandt schreibt, eine »flirrend-leichte Inszenierung« (als Aufzeichnung auch im Fernsehen gesendet). Dem Film hat sie sich nie verschrieben.
Ich durfte ihr damals in Hamburg einen Geburtstag ausrichten. Es kam als erster und uneingeladener Gast der geniale Zeichner Horst Janssen. Er brachte eine Zeichnung mit, die Joana Maria Gorvin in sieben oder acht Don-Gil-Posituren zeigte, grazil und androgyn, in zwei Stunden erstellt.
Sie tanzte auf dem Eis der Alster ihre Pirouetten. Als ich mich an ihr festhalten wollte, klatschten wir beide in die schon auftauende Eisdecke. Unserem Auto konnten wir uns, naß, wie wir waren, nicht nähern, weil es von Polizisten umstellt war. Sie hatte vergessen, die Scheinwerfer auszuschalten. Lassen wir es dabei: Sie war, wie die Hamburger Morgenpost schrieb, »eine Dame mit silbriger Ausstrahlung«.