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SCHALLPLATTEN / KOPRODUKTIONEN Sinnvoll geteilt

aus DER SPIEGEL 25/1967

Der weiße Mercedes 300 SE passierte den Zonengrenzübergang Herleshausen ohne Gepäckkontrolle -- statt Einsicht in den Kofferraum wünschten die Vopos Autogramme. Unbehelligt chauffierte die Sopranistin Anneliese Rothenberger mehrere Kisten Meißner Porzellan aus der DDR in die Bundesrepublik.

Das teure Geschirr war das Ost-Entgelt der Sängerin aus einer west-östlichen Schallplattenaufnahme in Dresden -- das letzte. Denn auf Anweisung des Pankower Kultusministers Klaus Gysi soll nicht mehr in gesamtdeutschen Rillen gesungen, gegeigt und geblasen werden.

Nach dem Boykott über westlichen Beat und Jazz (SPIEGEL 19/1967) verhängte Gysi nun auch eine Sperre über das Interzonen-Plattengeschäft mit ernster Musik. Er untersagte

> Plattenaufnahmen mit Interpreten aus beiden Teilen Deutschlands an DDR-Orten wie Dresden, Leipzig und Ost-Berlin;

> den Austausch von Tonbändern mit klassischen Klängen im innerdeutschen Handel.

Beide Methoden hatten sich jahrelang in »herzlicher und harmonischer Zusammenarbeit« bewährt (so noch 1966 die Kölner »Electrola") -- die Kooperation verhalf deutschen Hörern zu Platten-Spezialitäten, die sie sonst hätten entbehren müssen.

So konnte dank dein Band-Austausch der Ost-Berliner »VEB Deutsche Schallplatten« Aufnahmen westlicher Stars wie Igor Strawinski (als Dirigent eigener Werke), Herbert von Karajan, Dietrich Fischer-Dieskau und Maria Callas mit dem konkurrenzlosen Staatsetikett »Eterna« anbieten.

Als Gegenleistung kamen Raritäten des »Eterna«-Repertoires in die Bundesrepublik, etwa Handels »Radamisto«, die Dessau-Oper »Die Verurteilung des Lukullus« sowie 40 »Cantiones sacrae« nebst »Geistlicher Chormusik« des Barock-Meisters Heinrich Schütz. Staatskapelle und Kreuzchor aus Dresden, Gewandhausorchester und Thomanerchor aus Leipzig tönten von westdeutschen Schallplatten.

Noch attraktiver als der Austausch fertiger Aufnahmen war für die Hersteller in Ost und West die gemeinsame Produktion -- vor allem bei großen Opernprojekten. Die hohen Kosten (für eine Gesamtaufnahme in Spitzenbesetzung rund 500 000 Mark) konnten so sinnvoll geteilt werden.

Der »VEB Deutsche Schallplatten« zahlte regelmäßig sämtliche Spesen sowie die Honorare für die Musiker aus der DDR: für das Orchester, den Chor und oft auch den Dirigenten. Die westdeutschen Gesangsstars dagegen wurden von den Plattenfirmen der Bundesrepublik entlohnt; aus Ost-Berlin erhielten sie eine geringe Lizenz-Pauschale, die sie zudem auf DDR-Boden in Waren anlegen mußten.

Die Gagenteilung erlaubte Spezial-Produktionen, die -- mangels Absatzchancen auf dem Weltmarkt -- sonst kaum möglich gewesen wären: Fremdsprachige Opern ("Die Hochzeit des Figaro«, »Der Barbier von Sevilla") wurden auf deutsch eingespielt, und die Strauss-Werke »Elektra« und »Der Rosenkavalier« wurden mit historischlokalem Kolorit aufgenommen -- am Uraufführungsort Dresden, mit der Dresdner Staatskapelle und dem einstigen Dresdner Opernchef Karl Böhm.

Trotz Gysis Verbot rechnen die international verflochtenen großen Plattenfirmen der Bundesrepublik auf weitere Geschäfte mit Ost-Berlin. Als Partner des Platten-VEB sollen künftig die außerdeutschen Stammhäuser der westdeutschen Firmen verhandeln, etwa die britische »Emi« für »Electrola«.

Und bereits zum Herbst offeriert die Hamburger »Philips« die Schubert-Symphonien, gespielt von der Dresdner Staatskapelle; Dirigent: der westdeutsche Wolfgang Sawallisch. Verantwortlich für die Aufnahme ist der holländische »Philips«-Stammkonzern.

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