KUNSTMARKT / KÖLN So peinlich
Im Olympia-Monat Oktober 1968 geben sich auch deutsche Kunsthändler sportlich: Noch schneller als beim ersten Kölner »Kunstmarkt« vor einem Jahr ließen sie bei der Reprise in der letzten Woche Geld und Ware kursieren; noch höher trieben sie ihre Umsätze.
Das verspürte unter den 20 »Kunstmarkt«-Teilnehmern am stärksten der Krefelder Op-Galerist Hans Mayer: Schon letzten Dienstag, einen Tag nach der Eröffnung, hatte er weit mehr als den vorjährigen Erlös einer ganzen Woche (rund 70 000 Mark) eingenommen. Allein ein buntes Calder-Mobile brachte ihm 72 000 Mark. Auch Mayers Kollegen nahmen, etwas gelinder zwar, die Steigerung wahr.
Sie alle profitierten von dem geglückten Experiment, den deutschen handel mit neuer Kunst jährlich für ein paar Tage dort zu konzentrieren, wo die Sammler am aufgeschlossensten, am reichsten und am freigebigsten sind: im Rheinland.
Die Gunst der Lage hatte den Galeristen Rolf Ricke, einen der Forschesten seiner Zunft (siehe Interview Seite 218), im letzten Winter sogar veranlaßt, aus der Documenta-Stadt Kassel nach Köln umzuziehen. Aus Münster kam Dieter Wilbrand und wurde nachträglich in den Kreis der veranstaltenden Kunsthändler aufgenommen,
Auch Gäste waren diesmal willkommen, nachdem die Stadt Köln dem rasch etablierten Messe-Unternehmen statt des mittelalterlichen Gürzenich ihre geräumigere Kunsthalle angeboten hatte:
In Konkurrenz mit dem Düsseldorfer »Prospect« (SPIEGEL 39/1968) warben die »Kunstmarkt«-Planer um prominente Ausländer und brachten sechs nach Köln (darunter die New Yorker Castelli, Feigen und Fischbach), die ihre Bilder im Foyer ausstellten. Eigene Messe-Kojen erhielten die deutschen Gäste: die Münchner Galerien Friedrich und Buchholz sowie der zeitweilig dem Unternehmen abtrünnige Düsseldorfer Alfred Schmela. in den »Kunstmarkt«-Gründerklub, den »Verein progressiver deutscher Kunsthändler«. kamen sie aber nicht.
Das Beiwort »progressiv« ist freilich den Vereinsmitgliedern schon jetzt so peinlich wie der CDU das hohe C. Denn ihr Markt, weit konservativer als der anders konzipierte »Prospect«, zeigt in den meisten Kojen ein gemischtes Angebot, das auch noch expressionistische Werke einschließt.
Mit älterer Kunst war vor einem Jahr das größte Geschäft gemacht worden: Der Kölner Hein Stünke hatte ein 65 000 Mark teures Gemälde des Surrealisten Max Ernst verkauft. Und auch diesmal nahm er mit Ernst viel Geld ein -- 20 000 Mark für eine Plastik.
Aus solchen Erfahrungen zogen die Aussteller unterschiedliche Konsequenzen: Der Stuttgarter Hans Jürgen Müller, der sich und sein Personal in Trikots mit Firmen-Aufschrift gekleidet hatte und die erste Nummer der Galerie-Gazette »Müller-Report« verteilte, wollte mit überwiegend geometrischen Bildern zunächst sein Image profilieren und dafür selbst auf Profit am Ort verzichten: »Ich bin nicht enttäuscht, wenn ich nichts verkaufe.« Die meisten Aussteller dachten freilich wie der Münchner Otto Stangl ("Ich bin nicht hier, um mich zu langweilen, sondern um Geschäfte zu machen"), der von Franz-Marc-Zeichnungen bis zu Kunststoffpüppchen dei' Niki de Saint Phalle ("Nana Aerobate") zu Markt trug, was ihm verkäuflich erschien.
So kam ein Potpourri aus Pop, alter und neuer Geometrie, alter und neuer Figuration in die Kojen, in dem Markt-Favoriten wie der Amerikaner Wesselmann und der Deutsche Richter viele Vorzugsplätze einnahmen -- ein Basar ohne die Konsequenz von Kunstausstellungen, der aber potente Händler aus dem Ausland ebenso anzog wie finanzsehwache Amateure.
Ein reicher Mann aus den USA reiste beispielsweise im eigenen Jet herbei und kaufte beim Kölner Zwirner ein Werk des Pop-Hauptmanns Lichtenstein, dessen Preise sich binnen Jahresfrist verdoppelt haben -- eine emaillierte Metallskulptur ("Explosion") für 36 000 Mark.
Für ärmere Sammler boten billige Graphik (signierte Plakate ab zehn Mark) und Serien-Objekte den stärksten Kaufreiz: Am Dienstag schon war die Edition »Everess« von Joseph Beuys (40 Holzkistchen mit je zwei Flaschen) bei René Block aus Berlin zum Stückpreis von 140 Mark ausverkauft; 20 Exemplare eines neuen »Licht- und Ton-Objekts« samt eingebautem Plattenspieler des Hamburgers Geldmacher hatte Stünke abgesetzt.
Diese gute Marktlage lockt dennoch nicht alle Galeristen zum Remake im nächsten Jahr: Der Avantgardist Friedrich, der in Köln einen vollen Pop-Stand eingerichtet hatte, will »nie mehr Ausstellungen in dieser Art« veranstalten. Statt mit Einzelstücken möchte er künftig mit Kunst-Immobilien handeln -- mit der Gartenerde, die sein Protegé Walter de Maria kürzlich in Friedrichs Galerie ausgestellt hat, oder mit jenem Strich, den de Maria im Beisein des Galeriebesitzers demnächst im Wüstensand der Sahara ziehen will,
Mayer hingegen verließ am letzten Freitag Verein und »Kunstmarkt« mit einem Eklat: Weil die übrigen Galeristen gegen rüde, willkürliche Polizeiaktionen, die ein Kölner Jungfilmer-Festival unterbrochen hatten, nur halbherzig protestierten und ihre Stände nur für zwei Abendstunden schlossen, erklärte er seinen Austritt.