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SPIELZEUG / COMPUTER Spaß mit Logik

aus DER SPIEGEL 44/1968

Bezopfte Mandarine überlisteten einander beim »Nim«-Spiel im alten China. Spielregel: Zwei Partner nehmen aus einer Reihe von Hölzchen abwechselnd ein bis drei Hölzchen fort. Wer das letzte nimmt, gewinnt.

Nun soll in bundesdeutschen Kinderzimmern wieder »Nim« gespielt werden -- gegen einen aus Schaltern und Steckdrähten gebastelten Klein-Computer. Die Maschine beherrscht die Strategie des »Nim«-Spielens perfekt; sie schlägt mit Sicherheit jeden Partner -- wenn sie anfangen darf.

Der leblose Gegenspieler ist eine Art Bildungs-Baukasten, den der Stuttgarter Lehrmittel-Verlag »Kosmos« in diesem Herbst auf den Markt bringt: der Spiel-Computer »Logikus« (Preis: 68 Mark), neuestes Produkt in der Serie von Chemie-, Physik- und Radio-Bastelkästen, mit deren Hilfe sich Heranwachsende spielerisch auf die Technik-Umwelt vorbereiten können.

»Logikus«, laut Verlagsangabe für Kinder von zwölf Jahren an geeignet, kommt in Gestalt von einigen Dutzend Einzelteilen ins Haus, die erst zusammengesetzt werden müssen. Das Ergebnis ist ein Schaltfeld von 50 elektrischen Weichen, die sich mit zehn Schaltschiebern (am unteren Rand des Feldes) umstellen lassen.

Je nachdem, welches Programm dem Spiel-Computer eingefüttert ist und welche Stellung die Schaltschieber haben, leuchten hinter einer Plexiglasscheibe verschiedene Lämpchen auf. Beim »Nim«-Spiel beispielsweise signalisieren die Lämpchen, welchen Zug der Logikus« als nächsten machen will. Und zum Schluß teilt ein Leuchtfenster mit: »Bedaure, Sie haben verloren« oder: »Gratuliere, Sie haben gewonnen.«

Die Schaltung, die das Gerät zum »Nim«-Spielen befähigt, ist nur eine von (nahezu unendlich) vielen Möglichkeiten, den Spiel-Computer zu programmieren. Und in der Tat liegt der pädagogische Nutzen des Geräts vor allem darin, daß der spielende Jugendliche immer wieder andere Schaltprogramme einstöpseln kann. Mit einer Rolle Draht, aus der er sich passende Enden zurechtschneidet, muß der Jung-Programmierer die Wege des Stroms aus der Batterie so bahnen, daß der Mini-Computer zu seinen Intelligenzleistungen fähig wird (beim »Nim«-Spiel beispielsweise zur perfekten Strategie).

Und damit die Schaltung funktioniert, muß der Jugendliche das logische Problem (etwa die Spielregeln bei »Nim") vorher in einzelne Denk- und Programmschritte auflösen genauso wie es der Programmierer an einem modernen Groß-Computer tut. In ihrem logischen Kern unterscheiden sich die Drahtfiguren auf dem »Logikus«-Steckbrett nicht von den Programmen großer Elektronenhirne, die komplizierte wissenschaftliche Berechnungen vornehmen, Raumraketen auf Kurs halten oder Verkehrsströme in den Metropolen lenken.

Ein Anleitungsbuch, das der Stuttgarter Wissenschafts-Journalist Rolf Lohberg verfaßte und das dem »Logikus«-Spiel beigefügt ist, enthält Modelle für Schaltungen, die ein rundes Dutzend vergnüglicher Programme möglich machen:

* Ein Wetterprognose-Programm erschließt aus Angaben über Luftdruck, Feuchtigkeit, Temperatur und Jahreszeit, ob das Wetter besser oder schlechter wird.

* Ein Medizin-Programm kann aus einer Kombination der Symptome Schnupfen, Husten, Übelkeit und Durchfall, Gliederschmerzen und Fieber zwischen mehreren Diagnosen (zum Beispiel Magengrippe oder Bronchitis) unterscheiden.

* Als Übersetzungsautomat überträgt der Klein-Computer einfache Sätze aus dem Englischen ins Deutsche.

* Als Prüfungsautomat stellt er Fragen aus Geschichte oder Geographie und benotet die Antworten mit »sehr gut« bis »ungenügend«.

Weitere Programme befähigen den Computer, einfache Rechnungen auszuführen oder Denkaufgaben durchzuspielen, Auch Gesellschaftsspiele mit einprogrammiertem Würfel (für die Mitspieler unvorhersehbar leuchten die Zahlen 1 bis 6 auf) oder mit einem durch die Lampenreihe wandernden Fußball (der durch richtiges Schalten in das »Tor«-Feld zu treiben ist) lassen sich auf dem Schaltbrett stecken.

Fachmännisches Urteil einzuholen, führten die »Logikus«-Hersteller ihre Neuheit dem Karlsruher Informationswissenschaftler Professor Karl Steinbuch vor. Er formulierte seine Begeisterung in einem Geleitwort zu dem »Logikus«-Handbuch: »In Naturwissenschaft und Technik kann man heutzutage nicht mehr mitreden, ohne die Funktion der Computer begriffen zu haben.« Mit dem Spiel-Computer mache das Lernen »richtigen Spaß«.

Der Professor selber hatte Mühe, beim »Nim«-Spiel gegen den Computer anzukommen. Er siegte erst beim zehnten Versuch.

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