Austretendes Glykol, schwankende Feuchtigkeit Viele Baumängel an Berliner Stadtschloss - Experten sehen Eröffnung in Gefahr

Berliner Stadtschloss: Sollbruchstellen vor der Eröffnung
Foto:Joko / imago images
Sieben Jahre nach der Grundsteinlegung soll das wiederaufgebaute Berliner Stadtschloss Mitte Dezember eröffnet werden, zumindest in Teilen. Am Dienstag tagte der Rat der Stiftung Humboldt Forum, die der Hauptnutzer des Gebäudes sein wird. Nicht alle Mitglieder des Gremiums waren anschließend überzeugt, dass die Eröffnung im nächsten Monat garantiert werden kann.
Die Unterlagen, die den Stiftungsräten zur Verfügung gestellt wurden, klingen zumindest beunruhigend. Erst am Dienstag wurde – mit erstaunlicher Verzögerung – ein Baubericht zum 2. Quartal 2020 vorgelegt, darin heißt es: "Die Teileröffnung am 17. Dezember 2020 bleibt weiterhin stark risikobehaftet." Ein Bericht zum dritten Quartal, das am 30. September beendet war, steht offenbar noch aus.
Spät dran in Fragen der Sicherheit
Aus der Tischvorlage für die gestrige (virtuell abgehaltene) Zusammenkunft geht hervor, wie viele Zweifel an der Funktionstüchtigkeit bestehen; in diesen Tagen werden noch Prüfungen und Nachprüfungen vorgenommen. Exemplarisch aufgeführt wurden mehrere offenbar noch kritische Punkte, etwa dass alle Außentüren bis zum 23. November funktionieren und abschließbar sein müssten und das "Zugangsmanagement" auch "ohne Hemmnisse" möglich sein müsse.
Vor allem in Fragen der Sicherheit scheint man spät dran zu sein. Erst bis Ende November soll die Inbetriebnahme des "gesamten Sicherheitsmanagementsystems mit der Sicherheitsleitstelle" stattfinden. Im Bereich der Sicherheitsbeleuchtung wurden bereits "Unzulänglichkeiten" dokumentiert.
Bei den Ausstellungsräumen sieht es offenbar ähnlich aus. Die sollen zwar erst im kommenden Jahr dem Publikum zugänglich sein. Doch dafür muss bereits bis Mitte November ein stabiles Raumklima gewährleistet werden. Danach sieht es laut der jüngsten Sitzungsvorlage nicht aus. Die Rede ist von Feuchtigkeitswerten, die noch "zu stark" schwanken. Die Ursachen dafür müssten "ergründet und abgestellt werden". Ebenfalls besorgniserregend die Kältetechnik: Vor einer Woche habe eine "Havarie" stattgefunden, es sei zu einem "Glykolaustritt" gekommen, also zum Austritt eines als Kühl- oder Frostschutzmittels verwendeten giftigen Alkohols. Nun müsse man das Sicherheitskonzept diesbezüglich "hinterfragen". Die Rede ist von insgesamt 2000 Mängeln, die bis zur Eröffnung nicht behoben werden können – so sagten es zwei Mitglieder des Stiftungsrates dem SPIEGEL.
Hans-Dieter Hegner, Bauvorstand der Stiftung Humboldt Forum, will hingegen keine Zahl nennen. Nur so viel: Im Vergleich zu anderen Großvorhaben seien es nicht besonders viele. Das Glykol-Leck sei bereits behoben worden, betont er. Allerdings habe er schon länger darauf hingewiesen, dass es noch "Risiken und Sollbruchstellen" gebe; das Gebäude verfüge über äußerst komplexe Anlagen, Zeit für wichtige Probeläufe habe gefehlt.
Erschwerend hinzu komme der Ausnahmezustand durch die Pandemie: "Auch Programmierer können krank werden." Natürlich sei man in einer "fragilen Situation". Mit manchen "nicht bedeutsamen" Mängeln werde man erst einmal leben können, sie sollen in den kommenden Monaten abgestellt werden. Die Aufrechterhaltung einer Baustelle koste auch Steuergeld und sollte deshalb nicht in die Länge gezogen werden.
Bauvorstand Hegner geht daher von einer pünktlichen Eröffnung aus. Zwei Mitglieder im Stiftungsrat sind weniger optimistisch. Ein Mitglied glaubt, man werde in die planmäßige Teilöffnung "hineinstolpern" und etwaige Mängel sowie Pannen auf die notwendigen Corona-Maßnahmen schieben. Ein anderes Mitglied äußert stärkere Zweifel. Es sei "nur noch zu 50 Prozent wahrscheinlich", dass am 17. Dezember Teile des Schlosses eröffnet werden.