FILM NEU IN DEUTSCHLAND Stempel am Sitz
Liebe nach Fahrplan (Tschechoslowakei). Auf dem Bahnhof eines böhmischen Dorfes, im vorletzten Jahr des Herrn Hitler, ist das Leben friedvoll. Wenige Züge pfauchen vorüber; der Fahrdienstleiter, ein gewisser Hubicka, drückt das Dienstsiegel verträumt auf das Sitzfleisch der Telephonistin; Verkehr herrscht vor allem auf dem Dienstsofa des Bahnhofsvorstehers.
In der Idylle tritt der langsame, langohrige Milos (Václav Neckár) den Eisenbahnerdienst an. Hubickas Sofa-Scharmützel stürzen ihn alsbald in eine Krise, denn eigene Versuche auf diesem Gebiet schlagen leider fehl; erst eine durchreisende Partisanin führt ihn erfolgreich in die alten Riten ein.
Die Leiden des jungen Wärters hat der tschechische Regisseur Jiri Menzel, 29, nach einer hintersinnigen Humoreske seines Landsmanns Bohumil Hrabal, 53, gedreht. Menzels erster Abendfüller geriet zu einem kleinen Meisterwerk des tschechischen Kino-Realismus.
Das böhmisch-katholische Milieu, mit den kleinen Filous, trottligen Beamten und willigen Mädchen, rekonstruierte Menzel detailverliebt und sarkastisch; eisig-satanisch bricht schließlich SS in den schwejkischen Schwank.
Denn Munitionszüge rollen plötzlich durch Milos Station, und von den Partisanen befeuert, verwandeln sich die kümmerlichen Kleinbürger in Helden. Milos, soeben zum Mann gemacht, sprengt einen Granatentransport in die Luft und stirbt dabei; dicke Schwaden verfinstern die böhmischen Wälder.