Streit um sogenannte Elgin Marbles Stephen Fry hält Briten ihre Stillosigkeit vor

Bis heute weigert sich das British Museum, dort ausgestellte weltberühmte Parthenon-Fragmente an Griechenland zurückzugeben. Schauspieler Stephen Fry sagt: Die Haltung der Briten ist absurd.
Stephen Fry

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Foto: Isabel Infantes/ dpa

Eine Rückgabe der kostbaren Fragmente wäre, sagte Fry, »eine Handlung, die man mit einem Wort beschreiben müsste, das man zuletzt selten für britische Taten nutzen konnte: Sie hätte Klasse«.

Die sogenannten »Elgin Marbles« waren Anfang des 19. Jahrhunderts vom britischen Lord Elgin bei Arbeiten am Parthenon-Tempel in Athen entfernt worden. Der englische Schauspieler und Schriftsteller Stephen Fry äußerte sich dazu in einer Rede auf dem traditionsreichen Literaturfestival von Hay-on-Wye in Wales.

Figuren aus dem Parthenon-Tempel im British Museum in London: »All die Ausreden sind nicht ausreichend«

Figuren aus dem Parthenon-Tempel im British Museum in London: »All die Ausreden sind nicht ausreichend«

Foto: Jose Peral / IMAGO

Die Debatte beschäftigt die britische Öffentlichkeit seit Jahrzehnten – es ist der wohl prestigeträchtigste Restitutionskonflikt des Landes. Die Marmorskulpturen werden seit 1939 in einem eigenen Raum im British Museum in London gezeigt. Das Museum weigert sich bis heute, eine Rückgabe zu diskutieren.

Die Argumentation des British Museums, warum die Kunstschätze in London bleiben sollten, fasste Fry mit der ihm eigenen Prägnanz zusammen: »Wir haben sie legal bekommen von den Türken ... die damals die Besatzer waren.« In dieser Logik könnte auch ein Amerikaner sagen: »Ja, 1941 habe ich den Eiffelturm den deutschen Besatzern von Paris abgekauft«, so Fry. Und wenn die Franzosen fragen würden, ob sie ihn zurückhaben könnten, würde er sagen: »Nein, ich habe den rechtmäßig bekommen.«

Hintergrund der Äußerung von Fry ist, dass Lord Elgin, seinerzeit britischer Botschafter im Osmanischen Reich, zu dem Griechenland um 1800 gehörte, angab, er habe eine spezifische Erlaubnis von Sultan Selim III. erhalten, Arbeiten in der Akropolis durchzuführen – und auch Teile mitzunehmen. Die Echtheit dieses Dokuments wurde allerdings schon Anfang des 19. Jahrhunderts angezweifelt: 1816 untersuchte eine Kommission des britischen Parlaments den Fall, bevor es zustimmte, die Stücke trotz einigem Widerspruch anzukaufen. Das British Museum gibt an, dass auch heute ein Parlamentsentscheid nötig wäre, um eine Rückgabe zu erlauben.

Stephen Fry bei seiner Rede auf dem Hay Festival: »Als kämen Stonehenge, Big Ben und der Krönungsstein auf einen Schlag zurück«

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Foto: David Levenson / Getty Images

In Athen »eines der besten Museen Europas«

Stephen Fry schätzte in seiner Rede, über die die Londoner »Times« berichtet  hat, den ideellen Wert der »Elgin Marbles« äußerst hoch ein. Zwei Millionen Menschen würden ihre Rückkehr in den Straßen Athens bejubeln, glaubt Fry, denn: »Es wäre, als würden bei uns Stonehenge, Big Ben und der Krönungsstein zugleich zurückkehren, nachdem sie Hunderte von Jahren dem Land gefehlt hätten«.

Fry räumte ein, dass er in den Siebzigerjahren, in denen eine Militärjunta Griechenland regierte und Athen die schlimmste Luftverschmutzung gehabt habe, nicht für eine Rückgabe der Kunstschätze plädiert hätte. Doch inzwischen habe Griechenland das Akropolismuseum errichtet, laut Fry »eines der besten Museen Europas«, das sich auf die archäologischen Funde auf dem Gelände spezialisiert hat.

Nach Frys Ansicht kommt das British Museen auf immer neue Ausreden, um eine Rückgabe zu vermeiden. Zu der Rechtfertigung, die Statuen wären in weit schlechterem Zustand, wenn sie in Athen geblieben und nicht in London ausgestellt worden wären, merkt der Schriftsteller an: »Wenn dein Freund ein Feuer im Haus hat und du nimmst sein Gemälde an dich, damit es nicht verbrennt, dann kann man auch nicht sagen: Ich behalte es für immer, denn ohne mich wäre es verbrannt – dann hätte man es auch verbrennen lassen können.«

Parthenon-Skulpturen im British Museum: Streitfall seit über 200 Jahren

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Foto: David Cliff / ZUMA Wire / IMAGO

Fry beschreibt sich selbst als »leidenschaftlich« in dem Fall. Tatsächlich hat er schon mehrfach in den vergangenen Jahren dazu Fernsehinterviews gegeben und Reden gehalten. Er arbeitet derzeit am vierten Band einer Reihe von Neuerzählungen griechischer Sagen.

Gespräche auf höchster Ebene

Lord Elgin hatte seinerzeit zunächst behauptet, nur Gipsabdrücke von den Statuen machen zu wollen, die Werke dann aber doch außer Landes gebracht. Anfang des Jahres machte ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten von Oxford und Harvard, sowie dem Museum der Zukunft in Dubai – das Institut für Digitale Technologie (IDA) – mit dem Vorschlag Schlagzeilen, man könne die Marmorskulpturen einscannen und digitale Nachbildungen herstellen. Somit könne man die Originale restituieren und hätte dennoch keine Lücke in der Ausstellung der Weltkulturen im Museum. Doch das British Museum sperrt sich, man habe dem Akropolismuseum schon mehrfach gestattet, die Werke zu scannen.

Die Weltkulturorganisation Unesco bot 2014 an, in dem Fall zu vermitteln. Im September 2021 kam sie zu dem Entschluss, Großbritannien müsse die Marmorobjekte zurückgeben. Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis stellte das Thema in den Mittelpunkt seiner Gespräche in der Downing Street im November mit Boris Johnson. Dieser hatte zwar als Student in Oxford Sympathien für die Rückgabeidee gezeigt, aber sich weder als Londoner Bürgermeister noch als Premierminister dazu entschlossen.

feb

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