Zur Ausgabe
Artikel 60 / 90

NEU IN DEUTSCHLAND Stern schnuppe

aus DER SPIEGEL 43/1966

Ein Mann wird gejagt (USA). Dem Sheriff Marlon Brando ist zum Schluß der Stern schnuppe. Er steigt in den Buick und will von Texas nichts mehr issen. Denn Mob-Macht und Mord -Nacht haben dem Recken der Gerechtigkeit das rechte Auge geschlossen, die Nase lädiert und den Glauben genommen.

Sam Spiegel, US-Produzent aus Wien, bekämpft im Kino die Gewalt. 1954 ließ er (mit Marlon Brando) »Die Faust im Nacken« drehen, 1957 »Die Brücke am Kwai« und 1962 »Lawrence von Arabien«. Zum Texas-Drama inspirierte ihn eine spuckende Frau.

Die Rechtsextreme traf den liberalen US-Politiker Adlai Stevenson bei seinem Besuch in Dallas, wenige Wochen vor Kennedys Ermordung. Spiegel: »Ein Beispiel für Massenhysterie.« Zwei Tage später nahm er Marlon Brando für den Film unter Vertrag.

Nach einem Roman des Südstaatlers Horton Foote schrieb die Psycho-Dramatikerin Lillian Hellman ein Drehbuch, das der Hollywood-Außenseiter Arthur Penn als einen bunten Acht-Millionen-Dollar-Film inszenierte: Wilder Western mischt sich mit Breitwand-Oper und salziger Sozialkritik.

Der anklagende Finger weist auf Texaner des Städtchens Tarl, die mit Pistolen zu Partys gehen und die Langeweile durch Lynchjustiz verkürzen. Opfer im Film: ein Häftling namens Bubber.

Bubber, ein ungeratener Sohn der Stadt, ist dem Gefängnis entsprungen und auf dem Weg zu seiner Mutter. Die Tarler, meist bei der lokalen Bank beschäftigt, rüsten zur Treibjagd; Bubbers einziger Freund und Helfer ist der Sheriff.

In einer Keilerei von Kurzfilm-Länge deformieren zunächst vier Texaner den Sheriff zu einem blutigen, geschwollenen Monstrum. Dann wankt Brando zum städtischen Autofriedhof, wo ihn ein zweiter Höhepunkt erwartet.

Der Schrottplatz, auf dem sich Bubber verbirgt, ist von Tarlern umstellt und in Brand gesetzt. Dennoch holt Brando den Gesengten ins Gitterauto, aber vor dem Gefängnis vergeht Bubber wie Oswald - ein Texaner meuchelt ihn.

In dieser wirren Welt aus Klischees und Engagement tönt auch eine Stimme der Vernunft. »Wollen Sie einen Mann nur deswegen erschießen, weil er mit Ihrer Frau geschlafen hat?« mahnt eine Texanerin einen Neuling. »Dann wäre ja bald der halbe Ort ausgelöscht.«

Brando in »Ein Mann wird gejagt«

Faust aufs Auge

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 60 / 90
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren