Werbung Tabak ohne Tamilen
Die Herren reden, als säßen sie im Amnesty-Büro oder im evangelischen Gemeindetreff. Ganz selbstverständlich fallen Worte wie »Völkerverständigung«, »Solidarität« und »Weltbruderschaft«. Das Ambiente allerdings, ein dicht mit Werbefotos bestücktes Firmenbüro, paßt nicht recht zum hehren Vokabular, und die Menschenfreunde selbst wirken reichlich dynamisch und wettbewerbsorientiert.
Es geht auch bloß um Zigaretten. Die Debattierer verdienen ihr Brot damit, daß sie für den Hamburger Reemtsma-Konzern die »Peter Stuyvesant« an die Kundschaft bringen, und was sie jubeln läßt, ist ein Pappkarton. Darauf klebt ein Hochglanz-Werbefoto: zwei verliebte Menschen, Wange an Wange, dunkel ist ein Gesicht, das andere hell.
Schwarzer Mann liebt weiße Frau: Ein »toller Tabubruch«, wie Marketingmann Christoph Nagel sich begeistert. Das gemischtrassige Paar ist Teil der offensiven »Come Together«-Kampagne, mit der die Hamburger Tabakfirma an die Moral im Konsumenten appelliert.
Als wäre sie dem Gemeinwohl so sehr wie der Profitrate verpflichtet, gibt sich die Werbe- und Marketingbranche zunehmend multikulturell. Die deutsche Reklamefamilie, die glücklich ihre Suppen löffelt oder Margarine aufs Brötchen schmiert, hat polyglotte Konkurrenz bekommen: Weltläufige Menschen beleben Anzeigenseiten und Kinospots.
Putzig lächelnd und speiseeisverschmiert umarmen sich zwei kleine Mädchen am Urlaubsstrand, ein schwarzes und ein weißes, und singen das Lob einer Charterfirma: »Ich und Du, LTU«. Der New Yorker Zigarettenmulti Philip Morris schickt eine »neue Generation« vor die Kamera, teils schwarz, teils weiß, kantig, männlich, solidarisch, die an technischem Gerät herumspielt. Und für die niederrheinische Bierfirma Diebels verbrüdern sich deutsche und japanische Trinker an der Bar.
Kein Zufall, daß ein solches Konzept gerade Tabakkonzerne überzeugt. Auf der Suche nach dem positiven Raucherimage wurde bei Reemtsma jener markige Vertreter der »Stuyvesant-Generation« in Rente geschickt, der bis vor kurzem noch einsam und fortschrittsgläubig in der Werbung seinen Weg ging.
Der Technik-Macho paßte nicht mehr »in eine Welt, in der die Militärblöcke bröseln und die Mauern fallen«, so Frank Bernert von der Hamburger Werbeagentur Scholz & Friends. Statt auf diesen »Egoisten« setzen Bernert und Kollegen nun auf Völkerverständigung - ein Ansinnen, das dem deutschen Verbraucher so noch niemand zugemutet hat.
Der Fremde, wenn er bisher in der Reklame vorkam, hatte eine klar definierte Funktion: als Fachmann für ein exotisches Produkt. So hält sich der Werbe-Franzose vorzugsweise in der Küche auf, um Kräuter für den Frischkäse zu hacken. Der Italiener lädt zu Pizza und Eierliköreis, der Russe säuft Krimsekt und tanzt Kasatschok, während der Ire rothaarig und sommersprossig auf grünen Wiesen dem Whisky zuspricht.
Nimmt das Bild des Ausländers individuellere Konturen an, reagiert die Kundschaft womöglich empfindlich. Symptomatisch ist das Schicksal des dunkelhäutigen Reklame-Arabers, der in den fünfziger Jahren »im Zeichen der Freundschaft« für die Reemtsma-Orientzigarette »Senoussi« warb.
Der Typ mußte weg, als Nahostkrise und Ölpreisschock den Bundesbürgern alles Arabische vermieste. 1980 testete der Münchner Psychologieprofessor Lutz von Rosenstiel, wie die Verbraucher auf den Werbe-Scheich reagieren. Das Ergebnis: ein Finsterling, eine »düstere Type«, die »uns schon wieder mehr Geld fürs Öl abknöpfen will«.
Werbung bringt Ärger, wenn die fröhlichen Bilder und die flotten Sprüche allzu drastisch mit der Wirklichkeit kollidieren. Das hat auch der Modemulti Benetton erfahren, der in 30 Nationen schöne Menschen diverser Hautfarben für seine knalligen Trikotagen werben läßt.
»Eindeutig rassistisch« fanden amerikanische Schwarze ein Benetton-Bild: ein weißes Kind an der Brust einer schwarzen Frau. Daß dies Erinnerungen an die Sklaverei heraufbeschwört, wo Negerammen die Babys ihrer Eigentümer zu säugen hatten, war den Benetton-Machern »nicht aufgefallen«.
Streit allerdings kann das Geschäft auch beleben. Als »Herausforderung« möchten denn auch die Stuyvesant-Vermarkter ihre Aktion verstanden wissen; mit Stolz verweisen sie auf die »Brisanz«, die in der Verbreitung der Toleranz-Botschaft steckt.
Die Provokation indes ist so drastisch nicht. Das »Come Together« bezieht sich nicht auf die ganze Welt, sondern letztlich nur auf Amerika. Der Kinospot zeigt es: Wenn sich darin junge Menschen in sanftem blauem Licht in die Arme fallen, wenn weiße Tauben flattern und die Sonne glühend rot untergeht, dann geschieht das vor einer Kulisse, die Manhattan suggeriert - die Vereinigung findet nicht in Kreuzberg oder Wilhelmsburg statt, sondern im fernen New York.
Was an den bundesdeutschen Alltag erinnern könnte, bleibt ausgespart. Weil »wir ja nicht politisch werden wollen«, wie Reemtsma-Mann Nagel betont, kommt der real existierende Türke, Pole oder Tamile in der Kampagne nicht vor.