

Es ist nicht so, dass man das alles nicht schon wüsste: Wie gefährlich der Einsatz in Afghanistan für die deutschen Soldaten ist, wie aussichtslos er oft erscheint und wie zerschunden dieses Land ist. Es ist auch nicht so, dass man das unbedingt noch einmal so ganz genau sehen möchte, weil es am Ende ja doch nur unangenehme Fragen aufwirft.
Dennoch packt einen Ashwin Ramans Film "So nah am Tod" von der ersten Minute an. Was auch an der Arbeitsmethode des mit dem deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Reporters liegt. Er verfolgt keine These, die es nur noch zu beweisen gilt, überhebt sich nicht am Anspruch, Land und Krieg erklären zu können oder gar eine Lösung parat zu haben. Raman fährt stattdessen mit deutschen Soldaten, US-Militär und der afghanischen Armee durchs Land und wagt sich so lange vor, bis ihm der Krieg vor die Kamera kommt. Vor allem: die Opfer dieses Kriegs.
Der Film blickt unterschiedslos auf die Opfer
Und davon trifft er viele. Die zwei afghanischen Jungen, die von einer Taliban-Bombe verletzt wurden und jetzt auf Hilfe der Bundeswehr warten. Den Bundeswehrgeneral, der am Morgen noch eine Traueransprache für einen gefallenen Kameraden hält und ein paar Stunden später bei einem Selbstmordattentat in Kunduz schwer verletzt wird. Afghanische Familien, deren Angehörige niedergemetzelt werden, und die in Angst vor den Taliban leben. Der deutsche Soldat, der ein Attentat schwer verletzt überlebt und Tage später aus dem Krankenhaus in Deutschland per Videotelefonat seine Kameraden grüßt. Es ist Ramans Blick auf die Opfer, der dem Film seinen besonderen Ton gibt.
Der Titel des Films "So nah am Tod" ist dabei so etwas wie sein Programm. Denn nah am Tod sind in Afghanistan alle. Nicht nur die Soldaten, die hinter jedem Busch einen Attentäter vermuten müssen und in jedem Afghanen eine potentiellen Feind. Viel mehr noch die Afghanen selbst, die dem Krieg schutzlos ausgeliefert sind und sich von der eigenen Regierung nicht beschützt fühlen. Was in dem Land droht, wenn es sich selbst überlassen bliebe, illustrieren Videos, die Raman in seinen Film eingebaut hat. Eins zeigt die triumphierende Patrouille von Taliban-Kämpfern. Ein anderes die Hinrichtung von mehreren afghanischen Polizisten durch die Taliban. Es sind unerträgliche Bilder. Aber Raman schont seine Zuschauer nicht. Er überlässt es ihnen selbst, sich ein Urteil zu bilden. Oder sich einzugestehen, dass es mit einem schnellen Urteil nicht getan ist.
Vor dem Krieg Hände waschen nicht vergessen!
Seine Bilder zeigen einen sinnlosen Krieg. Raman campiert mit deutschen Soldaten auf einer beinahe lächerlich provisorischen Außenstation, marschiert stundenlang mit ihnen durch sengende Hitze ins Nirgendwo. Er spricht mit einem Ex-Taliban, der zwar ausgestiegen ist, aber nicht recht zu erklären weiß, warum. Er ist dabei, als die afghanische Armee in ein Gefecht gerät, einen Kampf um ein Haus, in dem sich Taliban verschanzt haben. Über Stunden geht die Schießerei. Immer wieder werden Tote und Verletzte geborgen. Das Ganze ist so quälend, dass man am liebsten wieder mit dem zuverlässigen Zuschauerreflex reagieren möchte: sich für Afghanistan nicht mehr zu interessieren.
Doch das ist kaum noch möglich nach diesem Film. Zu sehr prägen sich die Bilder ein, die schrecklichen und blutigen, und auch die banalen, die vielleicht mehr als alles andere die Hoffnungslosigkeit zeigen. Einmal fährt Raman mit einem deutschen Offizier in ein Ausbildungscamp der afghanischen Armee. Und zeigt an einem Schulungsvideo, wie sich dort Welten begegnen. Das Video hat ein deutscher Soldat gedreht, und es zeigt, wie man sich in einer Armeekantine zu verhalten hat: Hände waschen vor dem Krieg. Das ist dann sehr deutsch und sehr komisch.
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Hubschrauberflug über Afghanistan: Ashwin Raman hat deutsche und amerikanische Soldaten im Einsatz begleitet,...
...hat sich (hier rechts im Bild) mit afghanischen Soldaten unterhalten...
...und beobachtet die Deutschen, wie sie um das Vertrauen eines Dorfältesten werben. Sein Film über Afghanistan im zehnten Kriegsjahr folgt keiner These, will nichts beweisen...
...und ist genau deshalb so stark: Er überlässt seinen Zuschauern ein eigenes Urteil. Im Bild: der Bundeswehrgeneral Markus Kneip, der bei einem Sprengstoffanschlag schwer verletzt wurde - nur Stunden, nachdem er eine Traueransprache für gefallene Kameraden gehalten hat.
Raman begleitet den tristen Alltag der Soldaten im Afghanistan-Einsatz: Von der Patrouille außerhalb des Camps...
...bis hin zur Überführung getöteter Soldaten nach Deutschland.
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