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"Allmen": Gestelztes Gekabbel

Foto: ARD/ Hardy Brackmann

Martin-Suter-Verfilmung Der Derrick aus Zürich

Alles so schön harmlos hier: Die ARD hat zwei Martin-Suter-Krimis rund um den Zürcher Filou "Allmen" verfilmt und bietet damit 90 Minuten Weltflucht rund um gestohlene Vasen. Und Heino Ferch mit Schmalztolle.

Jetzt bitte nicht erschrecken: Es könnte sein, dass Heino Ferch mit dunkler Schmalztolle ein Lichtblick im TV-Krimi-Abendland ist. Um noch eins draufzulegen: Es könnte sein, dass eine Martin-Suter-Romanverfilmung genau das ist, was wir gerade alle brauchen.

Ein Lichtblick, weil: Ferch spielt in "Allmen" einen knietief im Dispo steckenden Betrüger mit Adelsstammbaum, der halbseiden Diebesgut aufspürt, um dann Finderlohn einzustreichen - und zwar in der perfekten Mischung aus galant und fies. Das Ganze in einem Setting, das komplett aus der Zeit gefallen scheint: Im Etepetete-Zürich, wo Leute auf Auktionen hässliche Vasen für viel Geld ersteigern, beim Antiquitätenhändler ein- und ausgehen, sich Puccini in der Oper reinziehen und für ein Abendessen eben mal 6000 Schweizer Franken hinblättern.

Und, richtig gelesen, wir haben Martin-Suter-Verfilmungen nötig, weil: Die Fälle, die Johann Friedrich von Allmen mit seinem Diener Carlos (Samuel Finzi) bearbeitet, sind erholsam bieder. In "Allmen und das Geheimnis der Libellen" sind's gestohlene Vasen, alte Rechnungen und Versicherungsbetrug von Leuten, die in schlossähnlichen Villen wohnen und nicht wissen, wie man "Arbeit" buchstabiert. Im zweiten Teil, "Allmen und das Geheimnis des rosa Diamanten", jagen sie scheinbar einem Trumm von Juwel hinterher und dann doch kostbaren Daten über Finanztransaktionen, drumherum wieder Luxusvillen, Luxusweinkeller, Luxusostseebadhotels.

Der narrative Dreh, der die "Allmen"-Fälle antreibt, ist klassische Existenzangst. Allmen hat über seine Verhältnisse gelebt, ein schmieriger Geldeintreiber (kurz, aber top: Peter Kurth) rückt ihm auf die Pelle, also sucht Allmen nach Wegen, um zu Kohle zu kommen. Um nicht auf Kaschmir-Dreiteiler, "Glencheck, aus feinstem Genueser Edelhaar", verzichten zu müssen.

Im großen Ganzen geht es also um nix. Keine Schlepperbanden, kein Menschenhandel, keine Vergewaltigungsmorde, keine Deals mit Terroristen, keine Glaubenskriege. Einfach nur sauteure Vasen und Erpresser, die Orange Pekoe First Flush Blablabla-Tee gereicht bekommen, dazu Postkarten-Klischees mit Zürichsee, den Brücken über die Limmat, der ganzen Schweizer Zuckrigkeit.

Man wähnt sich zurückversetzt in Derricks Achtzigerjahre-München. Da sich gefühlt all die anderen TV-Krimis derzeit an weltpolitischen und gesellschaftlichen Aktualitäten abarbeiten, bietet "Allmen" damit die dringend nötige Alternative. Zumal es ja Leute geben soll, die nicht unnötig Lebenszeit damit verschwenden wollen, die Bücher von Suter zu lesen. Dank Regisseur Thomas Berger und Drehbuchautor Martin Rauhaus gibt es nun Weltflucht in 90-Minuten-Filmhappen.

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"Allmen": Gestelztes Gekabbel

Foto: ARD/ Hardy Brackmann

Eine These, weshalb Krimis seit einigen Jahren so gut laufen, lautete seit Langem: Dank all der Bücher, Serien, Filme können wir uns vergegenwärtigen, dass es uns hier in Europa doch verdammt gut geht. Nun, da die Realität die Verbrechensfiktionen immer wieder einholt - siehe etwa den Tatort "Sturm" von Ostermontag -, scheint die logische Konsequenz zu sein, belanglosere, lokale Kriminalfälle zu stricken (apropos: höchste Zeit für eine neue Staffel "Mord mit Aussicht", geschätzte ARD, oder?). Hier muss keiner vor Spannung in die Küche flüchten, um die Chips nachzufüllen. Allmen ist der willkommende Gipfel dieser Harmlosigkeit.

Auch weil der Filou mit Zweireiher, Hosenträgern und Hang zum Pluralis Majestatis weder klassischer Ermittler ist noch Privatdetektiv. Und er obendrein einen Diener namens Carlos hat, den Samuel Finzi mit Schürze und großartig genervtem Blick spielt, der ihm Kopfschmerzbrausetabletten reicht, Ceviche bereitet, das Jackett ausbürstet.

Suter zitiert mit diesem Duo, das er bislang in insgesamt vier Romanen auftreten lässt (ob die anderen verfilmt werden, hängt laut ARD vom Quotenerfolg der beiden ersten Teile ab), natürlich Sherlock und Watson, Poirot und Hastings. An deren brillante Dynamik reichen die Zürcher längst nicht heran, aber ihr gestelztes Gekabbel ist schon allein deshalb sehr unterhaltsam, weil Ferch und Finzi die beiden großartig affektiert spielen. Hier wird mit höflicher Etikette gedroht, statt spuckend gebrüllt. Wenn man jemals wieder den Genre-Begriff "Spürnase" aus der Schublade holen darf, dann für diese beiden.

Mindestens genauso oldschool sind allerdings mal wieder die Frauenfiguren; auch wenn das in Suters Vorlagen so angelegt ist, passiert das derart häufig in Fernsehfilmen, dass man nicht umhinkommt, es immer und immer wieder zu benennen: So stehen und liegen die edelblasse Nora von Waldstätten ("Oktober November", aktuell in Josef Haders Regiedebüt "Wilde Maus") und Andrea Osvárt (manchen vielleicht bekannt aus der US-Serie "Transporter") als Objekte der Begierde im Bühnenbild rum und hauchen mit sonorer Stimme ein paar Sätze.

Das gekünstelte Setting der Storys erlaubt den Figuren immerhin, manierierte Phrasen zu dreschen, ohne dass sie aus der Rolle fallen. Und somit bescheren die beiden Filme uns definitiv die beste Runde Bullshitbingo seit Langem. Kostprobe? Sagt die Blondine morgens im Bett zu Allmen: "Oh wow." Und er so: "Mein zweiter Vorname."


Teil 1: "Allmen und das Geheimnis der Libellen"; 29.4.; 20.15 Uhr; Das Erste
Teil 2: "Allmen und das Geheimnis des rosa Diamanten"; 6.5.; 20.15 Uhr; Das Erste

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