Christian Buß

Anne Will wieder am Sonntag Ach, dann eben einfach die alte

Anne Will ist eine gute Talk-Moderatorin. Aber nicht am Sonntagabend. Dass sie künftig den Sendeplatz von Günther Jauch bespielen soll, zeigt das Problem der ARD: Die Anstalt lähmt sich mit Proporzdenken und Ideenlosigkeit.
NDR-Moderatorin Anne Will: Gute Frau, schlechter Sendeplatz

NDR-Moderatorin Anne Will: Gute Frau, schlechter Sendeplatz

Foto: NDR

Die Neue ist die Alte. Sind Sie auch ein bisschen verwirrt über die Entscheidung der ARD, dass Günther Jauchs Ende des Jahres frei werdender Sendeplatz von Anne Will bespielt werden soll? War sie nicht genau dort schon von 2007 bis 2011 zu sehen gewesen? Und wurde sie nicht ausgewechselt, weil man sich erhoffte, dass der mit vielen Komplikationen verpflichtete RTL-Alleskönner Jauch den 21.45-Uhr-Spot zu einem strahlenden Polit-Boulevard aufpeppt?

Anne Will wurde damals dann nach dem Ritt auf dem Talk-Karussell auf den Sendeplatz am Mittwoch nach den "Tagesthemen" abgeworfen. Was im ARD-Ranking zuerst wie ein Abstieg gewirkt haben mag, erwies sich journalistisch als Glücksfall für Anne Will: In der Nacht und bei (wenn auch nur leicht) gedrosseltem Quotendruck entwickelte sie eine Schärfe, eine Genauigkeit, eine Empathie, die ihr am Sonntagabend auf der Aftershowparty des "Tatort" oft gefehlt hatte.

Man weiß also nicht recht, erneuter Prestigegewinn hin oder her, ob man ihr zu der Rückkehr auf den alten Sendeplatz gratulieren soll. Zumal die Entscheidung der ARD-Intendanten für Anne Will weniger von Überzeugung und Leidenschaft geprägt sein dürfte als vielmehr von Proporzdenken und Ideenarmut. Denn der Sonntags-Talk wird nun mal vom NDR verwaltet, und Anne Will ist ein Gewächs dieser Anstalt. Neue Gesichter waren da genauso wenig gefragt wie bei anderen ARD-Anstalten verpflichtete Moderatoren und Politjournalisten.

Es wäre ja auch vorstellbar gewesen, dass man Frank Plasberg auf den Sonntagabend hebt. Der hatte einst im Dritten und später auch im Ersten gezeigt, wie man notorische Vielschwätzer unterhaltsam zur Räson bringt. Im Zuge der großen Talk-Rochade 2011, durch die Platz gemacht werden sollte für den damaligen ARD-Neuzugang Jauch, rutschte er dann auf den Montagabend und bringt sich seither mit Baumarkt-Schnacks über die Runden, oder er muss mit politischer B-Prominenz das Thema aufwärmen, das am Tag zuvor schon bei Jauch lief.

Plasberg ist der einzige der alten Hasen, von dem man sich hätte vorstellen können, dass er am Sonntag harte Politik und smarten Boulevard zusammenbringt, wie es eigentlich Jauchs Auftrag war. Aber: Er ist nun mal ein WDR-Mann. Wenn er Glück hat, wird er jetzt vom ungnädigen Montag auf den gnädigeren Mittwoch verschoben.

Und die (relativ) jungen Hasen? Ebenfalls keine Chance. Denen traut offensichtlich keiner Quote zu. Dabei gibt es doch einige Journalisten in der ARD, die sehr wohl weiter als bis zur nächsten Anmoderation denken können, die trickreich und lustvoll fragen und hinterfragen und die - ja, auch das, so ist Fernsehen nun mal - unter dem Licht der Studiobeleuchtung nicht unbedingt kleiner oder hässlicher werden. Was ist denn, um nur mal zwei Beispiele zu nennen, mit Ingo Zamperoni oder Lisa Ortgies?

Ach so, Ortgies ist beim WDR. Da ist also der Proporz vor. Wenn sie sich schon so blockiert und blamiert: Vielleicht sollte die ARD den Sonntags-Talk einfach ganz einstellen.

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