"Anne Will" zu Trump-Besuchen "Ritt durch die Weltgeschichte"

Erst war Macron bei Trump, dann Merkel. Nun ließ Moderatorin Will darüber diskutieren, welcher Europäer mehr erreicht hat. Es ging um: Pudel, Schmeicheloffensiven und das Ego der Franzosen.

"Wow", staunt Anne Will am Ende ihrer "sehr interessanten, wie ich finde", Sendung: Das sei nun ein richtiger "Ritt durch die Weltgeschichte" gewesen.

Tatsächlich war sie das erst in den letzten Minuten, als mögliche neue Bündnispartner für Deutschland und Europa in Augenschein genommen wurden. Da öffneten sich Fenster in die Zukunft - aus der ein unbequemer Wind hereinwehte. Zuvor ging es darum, ob Emmanuel Macron oder Angela Merkel mehr bei Donald Trump erreicht haben. Also um Wirtschaft.

SPIEGEL-Journalistin Christiane Hoffmann sieht Macrons ranschmeißerische Schmeicheloffensive in Washington als "politisch wirkungslos". Merkels etwas nüchterneres Entgegenkommen, "mit der Karte der Pfalz", seiner alten Heimat, gefiel ihr besser. Insgesamt fühlte sich Hoffmann durch die Besuche an die Serie "The Apprentice" erinnert, in der Trump ebenfalls Teams gegeneinander ausgespielt habe. Für den Franzosen bestehe die Gefahr - wie vor ihm Tony Blair - als Pudel des US-Präsidenten zu enden.

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Jeff Kornblum, früherer US-Botschafter in Berlin, pflichtet der Journalistin bei: "Ich habe viel schlimmere Phasen der deutsch-amerikanischen Beziehungen erlebt als diese hier." Diplomatie bedeute, Positionen klarzumachen. Und das könne Merkel sehr gut. Die Frage, ob nicht inzwischen Paris die Führungsrolle in Europa zugefallen sei, findet der alte Diplomat beschmunzelnswert: "Die Franzosen glauben das, die erzählen das überall in Washington herum", erzählt er und winkt ab.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) möchte mit Blick auf die drohenden Zölle schauen, "ob man einen fairen Deal hinbekommt". Das ist konziliant bis in die Wortwahl hinein, schließlich stehe nichts Geringeres als "das transatlantische Verhältnis auf dem Spiel". Fair könnte es durchaus sein, die Zölle auf beiden Seiten eher zu senken, als zu erhöhen. Mit Ausnahme von Christiane Hoffmann, die langfristige Folgen auch für die US-Wirtschaft fürchtet, scheint sich bei allen Teilnehmern der Eindruck erhärtet zu haben, dass Donald Trump es sich am längeren Hebel bequem gemacht hat.

Sogar der Grüne Jürgen Trittin meint, hier habe Trump "einen Punkt" - und verweist auf die eigenen Hausaufgaben diesseits des Atlantiks, etwa die viel "zu geringe Binnennachfrage in Europa". Auch Hoffmann merkt an, dass die Kanzlerin gerade anerkannt habe, dass der gewaltige Handelsüberschuss einerseits und niedrige Verteidigungsausgaben andererseits für die US-Seite ein Problem seien.

Dieter Kempf berichtet, dass er als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie in Washington schon Gespräche mit dem "inneren Kreis" des Präsidenten geführt habe. Die seien "interessant, aber nicht besonders erbaulich" gewesen. Hinter "America First" verberge sich eher ein "America Only". Kempf ist der Ansicht: "Mit Zöllen kann ich meine Industrie eher konservieren, nicht weiterentwickeln." Interessanter und offenbar auch erbaulicher sei für ihn derzeit, "mit den Gouverneuren zu sprechen".

Kornblum gibt zu bedenken, dass nicht die gegenwärtigen Zolldebatten das Problem seien: "Wir kommen in ein neues Zeitalter, wo die USA in 20 Jahren kein europäisch fundierter Staat mehr seien" und weit voranpreschen werden, was das Digitale angeht. Einen Einwand von Trittin wischt er mit der Frage vom Tisch, wie weit denn Deutschland mit dem Breitbandausbau sei.

Und dann wird die Frage erörtert, ob sich Deutschland und Europa nicht in handelspolitischen Fragen ohnehin langsam besser mal an China orientieren sollten. Und ob man - sollte Trump tatsächlich das von den Europäern maßgeblich ausgehandelte Atomabkommen mit Iran kündigen - eventuell mit Russland übereinkommen könnte.

Kornblum wird immer finsterer, je historischer die Debatte gerät. Wer verteidige denn die sicherheitspolitischen Interessen der Deutschen gegenüber China? Das sei doch wohl die Siebte Flotte der US-Navy im Pazifik, nicht wahr? Und was Iran betreffe, der unterstütze nachweislich den Terrorismus.

Trittin, vorwitzig: "Warum gehen Sie dann mit Saudi-Arabien nicht genauso um? Die Frage muss erlaubt sein!" Kornblum, ungehalten: "Das ist eine dumme Frage." Der Diplomat spricht eben nicht moralisch, sondern mit der Macht des Faktischen auf seiner Seite. In der Welt habe Deutschland nur einen einzigen Freund, fügt er hinzu. Und das seien die USA.

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