"Anne Will" zu Corona-Lockerungen "Das ist total auf Kante genäht"

Es wird wieder gestritten: Bei "Anne Will" rang eine Politikerrunde um den richtigen Weg aus dem Lockdown - und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ließ seinen Frust über die Virologen-Zunft heraus.
Anne Will mit Gästen: "Verunsicherung der Bevölkerung durch unterschiedliche Aussagen"

Anne Will mit Gästen: "Verunsicherung der Bevölkerung durch unterschiedliche Aussagen"

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Wie in der Vorwoche ging es um die Lockerung der Corona-Maßnahmen - diesmal diente das Merkel-Wort als Aufhänger, die Umsetzung durch manche Bundesländer sei "zu forsch". Dazu war eine Gästerunde geladen, die erkennbar auf Kontroverse ausgerichtet war: auf der einen Seite NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), Befürworter einer Wiederöffnung, und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, der jüngst "das Ende der großen Einigkeit" verkündet hatte. Auf der anderen Seite SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und Grünenchefin Annalena Baerbock, die zu Vorsicht und Prioritätensetzung mahnten. Die einzige Nichtpolitikerin unter den Diskutanten, die aus München zugeschaltete "SZ"-Redakteurin Christina Berndt, sollte "Schiedsrichterin" spielen.

Und das Konzept verfing. Natürlich gehe es immer noch "um Leben und Tod", erklärte Laschet, aber man müsse nun "abwägen" und etwa auch die Schäden bei Kindern in den Blick nehmen, "die jetzt sechs Wochen zu Hause sind, die Wohnung nicht mehr verlassen haben". In NRW seien "40 Prozent der Intensivbetten frei", es gelte, die Debatte zu "weitern". Kurzum: "Die Diskussion ist nicht forsch, sondern angemessen."

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Ganz anderer Meinung war Lauterbach: "Merkel hat hier recht", so der SPD-Mann, man müsse vorsichtig bleiben. Die Diskussion über weitere Lockerungen sei schädlich, weil so der Eindruck entstehe, es kämen schnell noch mehr. Stattdessen hätte er noch nicht die Schulen geöffnet und die Beschränkungen zwei, drei Wochen fortgeführt: "Wir hätten das Südkorea Europas werden können."

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Christian Lindner forderte, man könne nun "eine andere Strategie wagen", da das Gesundheitswesen gestärkt sei und das Verantwortungsgefühl der Bevölkerung hoch. Entscheidend für eine Wiederöffnung sei nicht die Größe des Ladens, sondern die Frage: "Gibt es ein Hygienekonzept?" Außerdem solle man "stärker regional vorgehen". Annalena Baerbock dagegen fand "das schrittweise Vorgehen total richtig", teilte die Einschätzung, "dass wir erst am Anfang sind", und zeigte sich besorgt über eine "Verunsicherung der Bevölkerung durch unterschiedliche Aussagen".

Und die "Schiedsrichterin"? Schlug sich klar auf die Seite der Mahner und der Bundeskanzlerin: "Ich finde das zu forsch." Es sei ja nicht so, dass wir "schon etwas abschließend erreicht hätten", so Christina Berndt. Im Übrigen sehe man erst in zwei Wochen, was die Maßnahmen bewirkt hätten - "und was das Virus in der Zwischenzeit erreicht hat, kann man nicht so leicht zurücknehmen wie politische Maßnahmen".

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Laschet ahnt schon, was die Virologen als Nächstes wollen

Damit provozierte die Journalistin einen emotionalen Ausbruch Armin Laschets. "Wir handeln alle in Unsicherheitsbedingungen", befand der Kandidat für den CDU-Vorsitz - und hob zu einer Suada gegen die Zunft der Virologen an: Erst sei das Ziel gewesen: "nicht Bergamo" zu werden, eine besonders hart getroffene Stadt in Norditalien. Dann habe es geheißen, die Verdoppelungszahl müsse auf 10 bis 14 Tage gebracht werden - jetzt liege sie in NRW bei 22. Dann sei der Reproduktionsfaktor ins Spiel gekommen. Und er ahne schon, welche Forderung als Nächstes folgen werde ("vielleicht nur wenige Hundert Infektionsfälle"). Sein Fazit: "Wenn alle paar Tage die Meinung geändert wird, ist das auch für Politik schwierig."

Die Zahlen seien nur "andere Ausdrucksweisen des gleichen Ziels", belehrte ihn da Lauterbach und warnte vor einer zweiten Infektionswelle. Biochemikerin Berndt ergänzte, sie verstehe Laschets Verwirrung, aber es ändere sich eben die Relevanz der Orientierungsgrößen, und überhaupt: "Man muss schon mehrere Zahlen im Blick haben." Lindner versuchte, Laschet beizuspringen, und reklamierte: "Am Ende bleibt es eine politische Entscheidung." Doch Lauterbach legte nach: Er kenne keinen Epidemiologen, der nicht sagen würde: "Das ist total auf Kante genäht, was wir gemacht haben."

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Keine gute Figur machte Laschet auch, als Annalena Baerbock die mangelnde Vorbereitung für die Öffnung im Schulwesen beklagte. Das habe ihn auch gewundert, beklagte der Ministerpräsident, allein: Das sei Sache der Schulträger. Dennoch habe seine Schulministerin eingegriffen und Desinfektionsmittel besorgt: "Googeln Sie's auf, Frau Baerbock!" Ähnlich argumentierte er im Hinblick auf fehlende Schutzausrüstungen: Völlig richtig, die Gesundheitsämter in den Kommunen seien "ausgeblutet", aber auch da hätte das Land zur Not geholfen und Beamte aus Düsseldorf geschickt.

Und dann ging es auch noch um Fußball

Lauterbach nahm die Schwierigkeiten zum Anlass, drei Kriterien für weitere Lockerungen zu benennen: gute Masken für 60 Prozent der Bevölkerung, Einführung der Tracing-App und die Fähigkeit, um jeden Fall herum "massenhaft zu testen". Solange diese Voraussetzungen nicht gegeben seien, sei Vorsicht geboten. So sah es auch Christina Berndt: "Wir sollten erst mal unsere Hausaufgaben machen und einen Schritt nach dem anderen gehen."

Ungeachtet dessen brachte Anne Will das DFL-Konzept zur Wiederaufnahme des Bundesligabetriebs aufs Tapet. Während Laschet die Idee verteidigte und bedauerte, dass schon eine Dreiviertelstunde "über dieses Fachgebiet" geredet worden sei ("der Virologe sagt so, so…"), musste nun Annalena Baerbock an sich halten: "Es kann doch nicht sein: Die gesamte Gesellschaft unternimmt unter Schmerzen die allergrößten Anstrengungen, und dann kommt die DFL und sagt: Wir haben für unseren Bereich ein super Hygienekonzept…"

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So werde "sozialer Zusammenhalt verspielt". Polizisten und die Kapazitäten der Gesundheitsämter würden derzeit woanders gebraucht. Christian Lindner dagegen regte an, das DFL-Konzept gleich auf alle Bereiche anzuwenden, die entsprechende Hygienestandards umsetzen könnten - Handel, Gastronomie, Produktion.

"Soll noch einer sagen, man kann nicht streiten über die Coronakrise", bilanzierte Anne Will zufrieden.     

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