"Anne Will"-Talk Irans Ultimatum und der Wert von Diplomatie

Maximalen Druck machen wie Trump? Oder nach Teheran reisen und vermitteln? Anne Will diskutierte mit ihren Gästen über den Atomstreit mit Iran - und über die Frage, wie gefährlich er für Europa ist.
Von Klaus Raab
Moderatorin Will (3.v.r.) mit ihren Gästen: "Iran stellt Ultimatum - wie gefährlich ist der Atom-Streit für Europa?"

Moderatorin Will (3.v.r.) mit ihren Gästen: "Iran stellt Ultimatum - wie gefährlich ist der Atom-Streit für Europa?"

Foto: NDR/Dietmar Gust

Talks über Außenpolitik sind häufig Diskussionen für Fortgeschrittene. Auch Anne Wills Sendung über die jüngsten Entwicklungen rund um Iran gehörte in diese Kategorie. Aber solche Talkshows können auch ein Weg sein zu vermitteln, dass Diplomatie kein simples Mau-Mau ist, sondern eher ein Multi-Player-Schachspiel. Diese Politikvermittlungsleistung glückte am Sonntagabend ziemlich gut.

Wie viel Fummelarbeit etwa in einem Abkommen wie dem Atomabkommen mit Iran steckt - doch, das kam schon rüber: "13 Jahre intensivster diplomatischer Beziehungen", sagte Martin Schirdewan, Europaabgeordneter der Linken.

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Nur wurde das Abkommen dann von den USA aufgekündigt, das Schachbrett umgestoßen von Präsident Donald Trump, der sich womöglich eher im Monopoly zu Hause fühlt.

Bei den Folgen dieses Schritts setzte Anne Will nun an. "Iran stellt Ultimatum" - und zwar den Europäern, die die US-Sanktionen gegen Iran umgehen sollen, sonst werde das Land wieder mehr Uran anreichern und afghanische Flüchtlinge durchwinken. "Wie gefährlich ist der Atom-Streit für Europa?", das war die Frage bei "Anne Will". Wobei eigentlich eher diskutiert wurde, ob Europa mit Diplomatie Einfluss nehmen kann und soll. Und wenn ja, wie.

Außenminister Heiko Maas, SPD, war laut Will terminlich verhindert. Norbert Röttgen, CDU, allerdings war da, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Er übernahm hin und wieder die Verteidigung der deutschen Außenpolitik. Etwa als die deutsch-israelische Politikberaterin Melody Sucharewicz, die in Tel Aviv lebt, das Atomabkommen als naiv darstellte. Über Menschenrechtsverletzungen oder das aggressive iranische Verhalten in der Region habe man hinweggesehen. Das Abkommen sei der "Beweis, dass Appeasement eben nicht immer funktioniert", sagte sie. Es müsse "der massive Druck sein". Also der Weg der Trump-Regierung.

Röttgen widersprach hier recht vehement. Es sei bei dem Abkommen nur um "einen Punkt" gegangen: "Iran sollte keine Atomwaffen bekommen. Das war nicht naiv." Um das zu erreichen, "hat noch keiner einen besseren Weg vorgeschlagen, auch Donald Trump nicht".

Die Islamwissenschaftlerin und Iran-Kennerin Katajun Amirpur schloss sich an. Sie glaube nicht an eine Politik des maximalen Drucks. Irans Präsident Rohani sei innenpolitisch unter Druck, aber im Grunde werde eine völlige Kapitulation von ihm gefordert. Dafür habe er weder die Richtlinienkompetenz, noch "das Backing der Bevölkerung". Eine Möglichkeit, das iranische Ultimatum zu interpretieren, sei auch, dass Rohani Europa noch etwas zutraue.

Da wurde die eine oder andere Stirn gerunzelt, aber im Grunde war die Diskussion hier beim Kern. Es ging um den Wert von Diplomatie. Röttgen, Schirdewan und Alexander Graf Lambsdorff, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, waren sich im Großen und Ganzen einig: Wenn Reden Silber ist, dann ist mehr Reden Gold.

  • Man müsse auf europäischer Ebene "das diplomatische Programm vergrößern". Es wäre falsch, nicht zu versuchen, zwei aufeinander zurasende Züge, also Iran und USA, abzubremsen (Lambsdorff).
  • Man müsse die Parteien wieder "an einen Tisch bringen" und "eine stärkere europäische Außenpolitik entwickeln" (Schirdewan).
  • Man müsse "eine Gruppe bilden und in der Kooperation mit einigen Staaten anfangen, europäische Außenpolitik zu machen" - in einer "E3" mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien (Röttgen).

Was die deutsche Rolle anging, gingen die Positionen allerdings auseinander. Lambsdorff klagte, "Deutschland hat überhaupt keinen Einfluss auf die USA mehr". Man rede nicht einmal mit dem US-Botschafter. "Einen Gesprächskanal nach Washington braucht jedes Land im eigenen Interesse." Röttgen dagegen sagte, er "warne vor Schadenfreude". Die US-Außenpolitik sei unter Trump grundlegend verändert.

Katajun Amirpur sagte, aus iranischer Sicht sei Deutschland "immer noch der größte Bezugspunkt". Die Forderung von Omid Nouripour von den Grünen, Heiko Maas solle nach Teheran reisen, sei ein "guter Vorschlag zum Wogenglätten". Was Melody Sucharewicz dann scharf zurückwies: Iran stelle Europa ein Ultimatum, "und die Europäer hüpfen und fliegen nach Teheran"? "Schnapsidee!", fand auch Lambsdorff. Kompromissvorschlag von Röttgen: Wenn, dann sollten sie "zu dritt sein", Frankreich und Großbritannien also mitkommen.

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Die Frage war freilich auch, ob militärische Auseinandersetzungen zwischen Iran und den USA drohten. Röttgen schloss das fast kategorisch aus. "Die USA hat überhaupt kein Interesse am Kriegführen", sagte er. Und Iran habe nicht die Mittel für einen kriegerischen Konflikt mit den USA.

Alexander Graf Lambsdorff war sich da nicht so sicher. Nein, ein Einmarsch der USA in Iran sei wohl nicht zu erwarten, aber "gezielte Bombardements" halte er für denkbar. Da nehme er Trumps Nationalen Sicherheitsberater John Bolton beim Wort. Daran, sagte er, gebe es auch in Iran ein Interesse, "weil sich dann alle hinter dem Regime versammeln".

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