
"Willkommen im Krieg": Vom Flecktarnteufel geritten
Deutsche Anti-Kriegskomödie Koma-Saufen mit MG im Anschlag
Zugegeben: Ich bin neidisch. Als Verteidigungspolitiker fahre ich häufig in Einsatzgebiete der Bundeswehr und besuche dort die Truppe. Und jenseits der wörtlich todernsten Lage gibt es immer wieder Situationen mit einer nicht immer freiwilligen Komik. Wenn ein Komandeur vor Beginn eines Gesprächs mit seinen Soldaten deren "hervorragende Moral bei der Auftragserfüllung" dreimal unterstreicht und dann die erste Wortmeldung eines Soldaten mit "ich bin täglich da draußen bei irgendwelchen schwachsinnigen Operationen" beginnt, dann ist der Gesichtsausdruck des auf Dezimeter Größe schrumpfenden Kommandeurs sehr komisch anzuschauen.
Filmreife Szenen solcher Art gab es in den vergangenen Jahren viele. Das brachte mich auf die Idee, einen Drehbuchautor für eine Komödie über den Afghanistan-Krieg zu suchen, dem ich viele solcher Anekdoten erzählen kann. Gibt es nicht eine lange Tradition mutiger (Anti-)Kriegskomödien wie Kubricks "Dr. Strangelove", Hawks' "männliche Kriegsbraut" und Blakes "Operation Petticoat"? Haben es nicht Werke wie Altmans "M*A*S*H" oder Lesters "Wie ich den Krieg gewann" geschafft, trotz Slapstick-Einlagen auf ernsthafte Weise die Absurdität von Kriegen aufzuzeigen?
Alle angesprochenen Drehbuchautoren fanden das Thema spannend, hatten aber gerade keine Zeit für ein solches Projekt. Und nun läuft am Ostermontag auf ProSieben zur Hauptsendezeit die Eigenproduktion "Willkommen im Krieg", die "erste deutsche Ant-Kkriegskomödie". Wenn das kein Grund für Neid ist!
Laie am Maschinengewehr
Der erste Satz des Promo-Textes lautet: "Dieser Film polarisiert." Wie recht die Macher damit haben. Eine Kriegskomödie zu machen ist stets mutig, weil man dabei so viel falsch machen kann. Die Darstellung der Realität von Krieg ohne Banalisierung oder Heldenmalerei ist nie einfach. Die Komik des häufig Absurden darin zu entdecken, ohne dabei verharmlosend zu wirken, erst recht. "Willkommen im Krieg" allerdings macht tatsächlich sehr viel falsch.
Vieles wirkt unrealistisch. Hauptgefreiter Martin (Constantin von Jascheroff) ist eigentlich gar nicht bei der Bundeswehr, sondern der Kumpel eines Soldaten, mit dem er im Suff getauscht hat. So kommt er ins Einsatzgebiet, ohne dass es jemandem auffällt. Die Bundeswehr hat also ihren Laden nicht im Griff. Im Lager angekommen, marschiert er ein und aus, wie er will, kauft literweise Bier ein und organisiert Poker-Turniere. Die Bundeswehr geht also leichtfertig mit der Gefahr im Einsatz um. Als Martins neue Kameraden merken, dass er kein Soldat ist, bringen sie ihm einfach nebenher den Umgang mit dem Maschinengewehr bei.
Dann ist da die Sache mit dem Humor. Wenn Martin seinen Kumpel in der Anfangsszene in einem kleinen Ort in Brandenburg abholt, und der Zuschauer entdeckt an Martins aufgepimptem Auto Einschusslöcher, dann ist das Humor zum Schenkelbrechen. Besser wird's im Rest des Films auch nicht. Der Höhepunkt des Humors ist der Gesang von Martin und seinen drei Kameraden vor US-Soldaten. Sie singen und tanzen ihnen Springsteens "Born in the USA" vor und bekommen dafür tonnenweise Medikamente für ein einheimisches Krankenhaus. Spätestens hier sind die Grenzen des guten Slapstick längst überschritten. "Tropic Thunder" oder die "Hot Shots"-Filme sind wenigstens komisch, weil drastisch, "Willkommen im Krieg" aber bleibt auch im Humor harmlos.
"Operation Petticoat" lässt grüßen
Um das örtliche Krankenhaus kümmert sich Martin nicht aus Menschenliebe oder gar aufgrund eines Befehls. Martins Aufgabe ist das Autowaschen. Alles sonstige, was er macht, ist dem Ziel untergeordnet, Sanitäterin Nina (Jessica Richter) ins Bett zu bekommen. Sie kümmert sich um das Krankenhaus? Dann besorgt er eben Medikamente. Sie sorgt sich um dessen Schließung? Er klaut für den lokalen Machthaber ein ganzes Bad im Feldlager, damit dieser das Krankenhaus nicht schließt. Spätestens hier wird klar: Martin ist weitgehend von Lt. Holden abgekupfert, gespielt von einem furiosen Tony Curtis in "Operation Petticoat". Nur: Was bei Tony Curtis auf phantastische Art und Weise leicht wirkt, ist bei Jascheroff verkrampft. Das liegt vor allem am absurden Drehbuch. Gewöhnt man sich daran, könnte der Film einfach zu Ende plätschern. Gäbe es da nicht noch Afghanistan.
Der Film spielt in einem fiktiven Land, soll aber natürlich an Afghanistan erinnern. Und so manche aufgespießte Pointe trifft den Nagel auf den Kopf. Dass eine überflüssige Brücke gebaut wird, damit der Außenminister bei seinem baldigen Besuch einfach mal was eröffnen kann - für so sinnlose Fälle gibt es auch in Afghanistan Beispiele. Es soll in der nördlichen Provinz Balkh ein Krankenhaus geben, das jahrelang nicht fertiggebaut wurde, weil der nächste Staatsbesuch ständig erwartet wurde. Und dass die Einhaltung der deutschen Straßenverkehrsordnung in afghanischen Feldlagern zu so manchem Gelächter führt, ist auch kein Geheimnis. Nur: Worin wird dies im Film erzählerisch eingebettet? In den nächsten Witz, nicht in die Sinnfrage des Einsatzes.
Beerdigung mit Nenas "99 Luftballons"
Der Film wird drei Tage nach Karfreitag ausgestrahlt, dem zweiten Jahrestag des Taliban-Angriffs auf Camp Kunduz, bei dem drei Bundeswehrsoldaten starben. Dem versucht der Film mit einem Element gerecht zu werden, ohne dass es keine Antikriegsfilme gibt: einem Toten. Der schweigsame Soldat Horstie (Daniel Zillmann) fällt bei einem Gefecht zur Verteidigung der überflüssigen Brücke gegen Aufständische. Die einheimischen Kinder, mit denen er in der Stadt gespielt hat, singen auf seiner echten Beerdigung - die offizielle Zeremonie der Bundeswehr trägt einen leeren Sarg zu Grabe - Nenas "99 Luftballons". Ein Lied, das er ihnen beigebracht hat.
Würde der Film so enden, könnte man alles, was bis dahin misslungen war, vergessen. Ein sinnloser Tod an einem sinnlosen Schauplatz für eine Armee, die es eigentlich gut gemeint hat. Der Tod eines Mannes, der nur helfen wollte. So endet der Film aber nicht. Und keiner der Beteiligten zeigt sich durch den Tod des Kameraden posttraumatisch belastet. Stattdessen fallen Martin und Nina bei romantischem Sonnenuntergang auf einem gepanzerten Fahrzeug im Einsatzgebiet übereinander her. Ein Happy End also, es hat sich doch alles gelohnt. Hier zerbröselt endgültig der Anspruch der "Anti-"Kriegskomödie.
"Männer, können wir nicht mal für ein paar Minuten so tun, als wären wir keine Soldaten, sondern einfach nur ganz normale Menschen?", heißt es im Film. "Müssen wir immer auf den Befehl hören? Können wir nicht mal fragen, was richtig ist?" Naivität ist ein Grundzug aller Anti-Kriegsfilme. Bei "Willkommen im Krieg" wäre die richtige Frage eher: "Können wir nicht mal für ein paar Minuten so tun, als gäbe es nicht den Krieg in Afghanistan mit mehr als 50 toten deutschen Soldaten? Können wir uns nicht einfach über alles sinnlos lustig machen?"
Eine große Chance vertan. Schade eigentlich.
"Willkommen im Krieg", Ostermontag, 20.15 Uhr, ProSieben