Apple-Abend in der ARD Jede Menge heiße Luft

Apple-Logo: So weit, so banal
Foto: TIMOTHY A. CLARY/ AFP
- Wieso wirkt Apple so infizierend, so suchtbildend?
- Was ist dran am Mythos, Apple schaffe die einfachsten IT-Produkte der Welt?
- Ist das alles auch sein Geld wert?
- Und ist dieses Unternehmen auch fair?
So lauteten auch die Fragen des "Markenchecks", ursprünglich ein seit 2011 im Regionalfernsehen des WDR gezeigtes Format, das seit 2012 im Hauptprogramm der ARD läuft. Zwar unregelmäßig, dann aber am Montagabend vor "Hart aber fair". Das ist praktisch, auch Frank Plasberg widmet sich gern den Verbraucherthemen. "Markencheck" liefert so die Steilvorlage für die folgende Diskussion, wenn das inhaltlich passt. So macht man den Montag quasi zum Themenabend.
"Markencheck": Was zu erwarten war
Die Betonung liegt auf quasi. Der Apple-Check fasste kompakt und mit den üblichen Beispielen Markenimages sowie die Berichterstattung über Apple der vergangenen zwei Jahre zusammen. Neues war nirgendwo zu finden. Da wurden altbekannte Experimente zu den Glücksgefühlen von Apple-Fans wiederholt. Da durften die typischen Aficionados schwärmen und die nicht weniger typischen Skeptiker wettern. Da argumentierte der Stiftung-Warentest-Experte, dass Apple doch eher teuer sei, so im Vergleich. So weit, so banal.
Brisanz besaßen nur die Filmeinspieler aus Apples Zulieferbetrieben in China. Die Situation dort ist zwar auch bekannt. Aber der offenbar andauernde Missstand in den Werken an sich beißt sich ja schon kräftig mit dem ach so sauberen Markenimage. Sollte da tatsächlich Gier im Spiel sein, auf der einen oder anderen oder sogar auf allen Seiten? Da hätte man durchaus drüber diskutieren können.
Stattdessen gab es dann bei Plasberg das Thema: "Handy an, Hirn aus - wie doof machen uns Apple und Co.?"
Um es vorweg zu nehmen: Das wusste man auch nach der Diskussion nicht, in der es allerdings auch um gänzlich andere Fragen ging. Nur um welche, blieb unklar: Offenbar zielte Plasbergs Redaktion darauf, die grundsätzlichen Befindlichkeiten von Menschen zur Kollision zu bringen, die auf gegenüberliegenden Seiten einer Kluft stehen, die man die Waldorf-Piraten-Klamm nennen könnte. Solche Schluchten sind bekanntlich schwer überwindbar, ohne in die Tiefe zu gehen.
Es war aber Oberfläche angesagt: Plasberg jagte seine Gäste durch eine Art "Ach übrigens, und noch'n anderes Thema"-Parcours, in der von Klos mit iPad-Halter über Sitten- und Kulturverfall, mangelnde Körperertüchtigung und vorzeitige Handy-Erreichbarkeit, Sprachverfall durch SMS und Internet bis zum Recht auf Langeweile fast alles besprochen wurde - außer das Thema des Abends. So zählte wie so oft im Leben auch hier der erste Eindruck, den man von den Gästen bekam.
Die "Waldorf"-Mannschaft: Nichtnutzung als Wert an sich
Auf der einen Seite saß dort als Diskutantin Gesine Cukrowski, offenbar weil sie Mutter eines Waldorf-Kindes ist, das darum nicht in Gefahr kommt, bei Freunden mit Fernsehern in Kontakt zu kommen. Unterstützt wurde sie von Paula Bleckmann vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, die digitales Gedöns erst ab 16 Jahren freigeben würde, aber jede Aussage dazu verweigerte, wie sie persönlich das mit ihren Kindern hält. Sekundiert wurde den beiden von Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands.
Der machte auch direkt klar, auf welcher Basis man hier diskutierte: Es sei ja die elterliche Aufgabe, einen "sinnvollen, ich will sagen asketischen Umgang" mit den neuen Medien zu vermitteln. Was an sich nicht falsch wäre, wenn es kein kategorisches Urteil enthielte: Digital ist in dieser Perspektive zwar in der Welt, aber eigentlich ist es die Wurzel des Bösen.
Das "Gegenlager": Pragmatismus statt Rebellion
Auf der "bösen Seite" hatte man TV-Moderator Ranga Yogeshwar in seiner Paraderolle als abwägender Pragmatiker fehlplatziert. Daneben saß der Berliner Fraktionschef der Piraten-Partei, Christopher Lauer, in seiner Paraderolle als "Los, auf ihn mit Gebrüll!"- Feindbild.
Das aber wollte nicht so recht klappen. Stattdessen redeten die Diskutanten mehr oder minder unterhaltsam aneinander vorbei, was Plasberg zur Auflockerung mit den üblichen Einspielfilmen unterbrach. Ab und an bemühten sich Yogeshwar und Lauer darum, nach dem roten Faden zu suchen, der Pirat aus der Hauptstadt gab aber am Ende auf und verstummte.
Als dann noch der hauptberufliche Kommunikationsberater und nebenberufliche Nachfahre Moritz Freiherr Knigge die Vorzüge des höflichen Umgangs auch im digitalen Raum einfordern sollte, sich dafür aber ebenfalls als zu realistisch erwies, hörte man die heiße Luft fast zischen, die der Sendung entwich. Am interessantesten für den Zuschauer war noch die Beobachtung von Pirat Lauer, der verständlicherweise öfter auf die Uhr schaute und ansonsten an die Decke - wohl auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wo er da hineingeraten war.
Als ihn die Medienpädagogin Bleckmann am Ende damit bedrohte, ihn zwecks fortzuführender Diskussion mit auf eine einsame Insel nehmen zu wollen, lieferte Lauers versteinerte Miene zumindest noch eine respektable Abschlusspointe: "Ich bin beeindruckt", sagte Plasberg, "wie gekonnt sie Ihre Begeisterung verbergen."
Das können wir auch, Herr Plasberg: Verbraucherthemen mögen populär sein, sie gehören aber selten zu den Highlights des auf Diskussion zielenden Talkformats "Hart aber fair". So, wie die öffentlich-rechtlichen Sender auch selten ein glückliches Händchen zeigen, wenn es um "digitale" Themen geht.
Auch bei Plasberg wurden Handys (in Deutschland ab 1985 eingeführt) und Internet (ab 1993/94) wieder als "neue Medien" bezeichnet. Noch immer ist die Perspektive die, auf digitale Kommunikationswege zu schauen, als seien sie gerade erst auf der Erde gelandete Aliens. So ging es auch diesmal wieder irgendwie um dieses digitale Zeugs - amorph und unbestimmt, unkonkret und oberflächlich. Dass einige der Diskutanten gar nicht verstanden, worüber zeitweilig geredet wurde, tat sein Übriges.
So platzte die Synergie der Themen, diese Abfolge von Recherche-Format und Diskussion, die eigentlich vielversprechend schien. Was inhaltlich hängen blieb, war die Forderung nach Medienkompetenzvermittlung, auch in der Schule. Da kann man sich nur anschließen: Es hätte auch der Diskussion ganz gut getan.