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Arbeitslosen-Komödie: "Ein Schnitzel für drei"

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Arbeitslosenkomödie in der ARD Im Märchenland Hartz-IV

Zwischen Arbeitsagentur-Hexen und Sozialwohnungs-Feen: Im TV-Film "Ein Schnitzel für drei" wird das Arbeitslosenmilieu in eine Märchenwelt verzaubert. Geld fällt einem einfach in den Schoß - und die Hartzer sind hier die Helden.

Solche Kunden wünscht sich der Arbeitsvermittler: Wolfgang (Ludger Pistor) lässt sich vom Beamten nur zu gerne einen "verhaltenen Optimismus" verordnen, verwandelt für seine Familie günstiges Hackfleisch in Frikadellen-Feuerwerke und legt bei einer Callcenter-Trainerin eine Spitzenperformance in Sachen rhetorischer Überzeugungskraft hin. Kurz, der trotz Einkommensflaute stets tipptopp gekleidete Herrenoberbekleidungsfachmann ist eine Zier für die gesamte Arbeitslosenwelt.

Anders der vor kurzem entlassene Seehundpfleger Günther (Armin Rohde): Als man ihn in eine kleinere Wohnung einquartiert, macht er Alarm auf dem Amt, und auch sonst gibt er auf ganzer Linie den Beamtenschreck. Bei der Umschulung zur Telefonmarketingfachkraft stellt er auf stur; er will ja sowieso nur zurück zu seinen Seehunden.

Wolfgang und Günther, der Feingeist und der Quälgeist, werden aber eben durch eines geeint: Hartz-IV. Eine Fügung nun will es, dass den beiden so unterschiedlichen Freunden 150.000 Euro in die Hände fallen. Günthers dementer Nachbar Hermann (Branko Samarovski) lagert die Summe in seinem Werkzeugkasten, offensichtlich hat er davon keinen Schimmer mehr. Also bedienen sich die beiden anderen - und übernehmen dafür die Pflege des alten Herrn.

Ein buntes Hartz-IV-Märchen ist "Ein Schnitzel für drei" geworden - mit Arbeitsagentur-Hexen und Callcenter-Drachen, mit Sozialwohnungs-Feen und unter Gedächtnisschwund leidenden Goldmariechen. Zwischenzeitlich merkt man zwar, dass die vielen Macher, die bei dieser WDR-Produktion ihre Hände im Spiel gehabt haben, sich nicht so recht einig darüber waren, wie weit man die Milieustudie nun ins Märchenhafte kippen lässt. Vier Autoren waren insgesamt an der Produktion beteiligt, das klingt nach Komplikationen.

Ein Banküberfall als Potenzspritze

Zum Glück gelingt es Regisseur Manfred Stelzer ("Pommery und Putenbrust") dann doch, den Tonfall des Heiteren zu halten. Aber darf man das bei so einem großen Thema? Man darf nicht nur, man muss! Hätte man unter dieses saloppe Komödchen noch ein bisschen öffentlich-rechtlichen Realitätsfrust gemischt, ein bisschen fatalistisches, aber unverbindliches Hartz-IV-Flair, wäre das einfach nur verlogen gewesen. So entfaltet sich indes aus der Arbeitslosenwirklichkeit eine eigene, reflektierte Fernsehprimetimewirklichkeit. Die Hartzer, hier sind sie die Helden.

Was nicht heißt, dass es keine interessanten Bezüge zur Realität gibt. Denn was tut zum Beispiel der arbeitslose Seehundfreund Günther mit seinem Anteil an dem gefundenen Schatz? Er spendet ihn dem klammen Zoo, in der Hoffnung, dass man ihn nun wieder als Tierpfleger einstelle. Er versucht also, seinen eigenen Arbeitsplatz zu finanzieren - was es in Form von stillen Beteiligungen von Arbeitnehmern an kriselnden Unternehmen ja tatsächlich schon vielfach gibt.

Gegenstück Wolfgang indes legt sein Geld eher in seiner Beziehung an. Er führt die Ehefrau endlich wieder mal zum Edelitaliener aus, und als diese misstrauisch nachfragt, wo denn das Geld herstamme, tischt er ihr die Mär auf, er habe eine Bank überfallen. Das suggerierte Verbrechen funktioniert denn auch gleich als Potenzspritze fürs eingeschlafene Liebesleben. Denn all den leckeren Frikadellen, die Wolfgang für seine Familie in all seiner freien Zeit brät, zum Trotz: Ein Verbrecher im Bett ist dann wahrscheinlich doch anregender als ein Mann mit Küchenschürze.

Dass die Verwandlung vom servilen Almosensammler zum sexy Abkassierer so gut funktioniert, liegt natürlich an Ludger Pistor, einem der versiertesten Komödianten und Charakterdarsteller des Landes, der seine Figuren stets mit stillem, aber schneidigem Duktus sprechen lässt.

Das ist der schöne und stolze Witz dieser Arbeitslosen-Komödie: Den abgewirtschafteten Herrenoberbekleidungsfachmann stattet Pistor fast mit der gleichen Weltläufigkeit und Gewitztheit aus wie seinen Schweizer Banker im Bond-Thriller "Casino Royal". Eleganter Hartz-IV-Deutschland nie war.


"Ein Schnitzel für drei", 20.15 Uhr, ARD

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