
Ende für "Harald Schmidt Show" auf Sat.1: Das Quotengrab wird geschlossen
Aus für "Harald Schmidt Show" Zeigen Sie Haltung, Mann!
Das war aber mal eine Nachricht.
Harald Schmidt hört auf, und "seitdem rangieren Themen wie Hanauer Atomfabrik oder Florian Gersters neue BMWs irgendwie ganz hinten." So schrieb die "Frankfurter Rundschau" Anfang Dezember 2003, als Harald Schmidt und sein Sender Sat.1 sich zum ersten Mal trennten (wohlgemerkt: damals war Schmidt es, der nicht mehr wollte), und weiter: "Mit Harald Schmidt verlässt Deutschlands bester Entertainer die Bühne."
Der "beste Entertainer"? Interessiert nicht mehr.
Ein Aufschrei ging durch's deutsche Feuilleton, die "taz" befragte einen Schmidt-Experten ("Stirbt jetzt die Frankfurter Schule?"), die "FAZ" geißelte den damaligen Senderchef Roger Schawinski und sein Management, weil sie nicht erkannten, "wie bedeutend es sein kann, von ihm hinweggewitzelt zu werden", und die "Süddeutsche Zeitung" widmete Schmidt gleich einen ganzen "Dekalog" von Dingen, die man fortan vermissen werde im "Missvergnügen unserer täglichen Fernsehnächte": Die französisch genuschelte Werbung für Schöfferhofer Weizen war dabei, das berühmte Wasserglas, aus dem Schmidt in wohlgesetzten Pausen Flüssigkeit schlürfte, der "Liebling des Monats", die Playmobil-Figuren, mit denen Schmidt historische Ereignisse nachspielte, und auch Schmidts treuer Adlatus Manuel Andrack, brav hinter einem Rechner sitzend und ohne jede eigene künstlerische Ambition Stichworte gebend.
Selbst der große Volkspoet streckte die Waffen: "Lieber Harald Schmidt, Sie hören nun auf. Ich denke, ich muss dann auch aufhören. Ohne Sie habe ich keinen Bock mehr in Deutschland", vertraute Franz Josef Wagner seiner "Bild"-Kolumne an.
Bekanntlich hat Wagner dann (manche werden sagen: leider) doch nicht aufgehört, auch Schmidt machte weiter, ein Jahr später und zunächst allein in der ARD (Sensation: Schmidt trug einen Bart!), dann in unseliger Kooperation mit einem präpotenten Spaßmacher namens Oliver Pocher, dann zusehends lustloser und unbeachteter wieder allein. Schließlich kehrte er zurück zu Sat.1, und jetzt geht auch dieses Engagement zu Ende: Zu wenige wollten ihn noch sehen, den "besten Entertainer". Vielleicht lag das auch daran, dass er das nicht mehr war. Oder, falls er es doch noch gewesen sein sollte: Dass es niemanden mehr so recht interessierte, ob er es noch war.
Mit leichter Hand jede Konvention zerstört
Auf der Höhe seines Schaffens revolutionierte Harald Schmidt das deutsche Fernsehen. Kein anderer konnte sich wie er über die Regeln des Mediums erheben und leichtfertig jede Grenze überschreiten. Mal nur französisch sprechen? Das Licht ausschalten? Oder einfach mal provozierend gar nichts tun und dabei die Gebührenuhr ticken lassen? Warum nicht.
Schmidt zerstörte mit leichter Hand Konventionen, Konzepte und Methoden herkömmlicher Unterhaltungssendungen und setzte die Bruchstücke so gekonnt wieder zusammen, dass daraus beste, anspruchsvolle Unterhaltung entstand. Und mehr als das: Harald Schmidt war eine deutsche Instanz. Was er sagte, hatte Gewicht.
2006 empfing Harald Schmidt die "taz" zum Interview am Kölner Flughafen, und die Redakteure setzten gleich am Anfang den Rahmen für das Gespräch: "Wir würden uns gerne mit Ihnen über die neue Bürgerlichkeit, das Zusammenleben der Kulturen und die Lage der Nation unterhalten." Darauf Schmidt: "Ich hatte schon Angst, das Gespräch läge drunter." Warum er derjenige sei, mit dem man über solche Fragen sprechen müsse, das deutsche Ein-Mann-Leitmedium? "Ich lebe davon, dass ich dafür gehalten werde. Ich kann mich zu jedem gewünschten Thema äußern, übrigens mit jeder gewünschten Überzeugung. Vielleicht ist es das, was unsere Gesellschaft braucht."
Spott ohne eigene Position
Die Gesellschaft scheint das nicht mehr zu brauchen: Einen, der gnadenlos über alles und jeden spottet, in Abwesenheit jeder eigenen Position. Was wählt eigentlich Schmidt? Wie denkt er wirklich über Waldemar Hartmann? Gibt es überhaupt einen "echten", einen ernsthaften Harald Schmidt hinter der Bühnenfigur? Auf diese Fragen gibt es keine Antworten. Möglicherweise sind die Zeiten vorbei, in denen die coole Pose dessen, der zu allem Distanz hat und sich zu nichts bekennen mag, allgemeinen Beifall findet - der Schriftsteller Christian Kracht hat es gerade erlebt, wie unangenehm es werden kann, wenn jemand kommt, der hinter aller zur Schau gestellten Ironie eine Haltung sucht.
"Für mich wird es erst dann wirklich kritisch, wenn man aufhört, bei mir zu interpretieren. Solange noch interpretiert wird, stimmt mein Marktwert", sagte Schmidt im Interview - und das war, wie vieles, was Schmidt sagt, sehr klarsichtig. Längst hat er jedes Tabu gebrochen, hat alles gemacht, was im deutschen Fernsehen zu machen war, und wir haben alles gesehen. Es gibt keine Fragen mehr.
Die Sendung am Abend vor der Nachricht über die Einstellung der "Harald Schmidt Show" bestritt Schmidt zu einem großen Teil mit einem netten Gespräch mit dem Schauspieler Fritz Karl über das Fliegenfischen, den Rest der Zeit füllte er mit quälend langweiligen Dialogen mit seinem "Butler Markus" und dem "Sichter Christian". Da gab es nichts mehr zu interpretieren. Schade eigentlich. Das Ende der "Harald Schmidt Show" ist folgerichtig.
Eine große Nachricht ist es nicht.