
TV-Krimis im Ersten: Allein unter Schweinehälften
Blutige TV-Krimis Lass quieken, ARD!
Blutspritzer an der Decke, Blutlachen auf dem Teppich, ein in Blut eingeweichtes Sofa. Dazu rund 20 Leichen, erstochen, zerhackt und filetiert. Wenige Sekunden nur blitzen die Bilder des Grauens auf - das aber immer wieder über eine halbe Stunde. Dazu gibt es hysterische Streicher wie in Hitchcocks "Psycho", auch diese etwas ermüdend über die ersten 30 Minuten gestreckt. Das macht mürbe, am Ende denkt man nur noch: Und wer macht die Sauerei jetzt weg?
Entschuldigung, aber es ist schwierig, angesichts der neuen aufwendigen Henning Mankell-Verfilmung in der ARD ernst zu bleiben: Wie hier umständlich Schreckensstakkato an Schreckensstakkato gereiht wird, ist wirklich kaum mit anzusehen - nicht weil die Bilder wehtun, sondern wegen der allzu plump ausgewalzten Dramaturgie der Schockeffekte. Ein Überrumpelungsthriller für Menschen, die ganz langsam ticken.
Aber was sollten die Programmmacher tun: Nachdem sie nun wirklich fast jeden Roman und jeden Fernsehfilm, jede Kurzgeschichte und jedes Exposé des alten und hierzulande so beliebten Schweden ausgeweidet hatten, mussten sie sich für die Verfilmung von Mankells 600-Seiten-Opus "Der Chinese" eben was ganz besonders Drastisches einfallen lassen, um Aufmerksamkeit zu erzielen.
Mankells Roman führt von einem Massaker in einem schwedischen Provinznest direkt zum Kolonialismus des 19. Jahrhunderts und zurück zum Neokolonialismus der neuen Wirtschaftsmacht China. Ein wuchtig geschlagener Erzählbogen, der in der Fernsehadaption nun doch arg verkürzt wird: Erst watet man durchs Blut, danach geht es - hopp, hopp! - durchs große, globale Gesellschaftsszenario.
Zwischen Schweinehälften und Pressfleisch
Regisseur Peter Keglevic, der mit "Blackout - Die Erinnerung ist tödlich" eines der besten Krimi-Panoramen des letzten Jahrzehnts inszeniert hat, fehlt hier leider der Atem, um die behaupteten geopolitischen und kulturhistorischen Verbindungen plausibel zu machen: Während die Richterin Brigitta Roslin (Suzanne von Borsody) in dem schwedischen Kaff Hesjövallen, wo das Massaker stattgefunden hat, als eine der wenigen Überlebenden ihrer Familie in die Geheimnisse der eigenen Vorfahren hinabsteigt, ordnet der Geschäftsmann Ya Ru (Jimmy Taenaka) in China seine zweifelhaften Geschäfte mit verarmten afrikanischen Staaten.
Schnell ahnt man, was die verschiedenen Handlungsstränge des Zweiteilers, den die ARD an diesem Freitag in einem Rutsch versendet, miteinander zu tun haben. Einsteigen mag man trotzdem nicht. Die internationalen Schauspieler - etwa Claudia Michelsen oder der Schwede Michael Nyqvist ("Verblendung") - spulen in "Der Chinese" ihre Monologe so pflichtschuldigst ab wie die Bühnenbildner das Set vollsauen. Schade ums vergossene Kunstblut.
Das Gleiche gilt für das andere Krimi-Vorzeigeprojekt der ARD, das zum Jahreswechsel gezeigt wird: In der "Tatort"-Episode "Tödliche Häppchen" geht es am Neujahrssonntag um Machenschaften in einer Ludwigshafener Großschlachterei. Zwischen Schweinehälften und Pressfleisch ermitteln Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) in einem Mordfall. Getötet wurde eine Polit-Aktivistin, die offensichtlich einer echten Schweinerei auf der Spur war. Diese wird von der wunderbaren, aber leider viel zu selten zu sehenden Idil Üner ("Kurz und schmerzlos") gespielt und gleich zu Anfang aus dem Bild gemordet - ein Grund weniger also, sich den "Tatort" bis zu Ende anzugucken.
Im Folgenden werden die beiden Ermittler im Kühlraum eingeschlossen, später sieht man sie immer wieder in Diskussionen über den deutschen Fleischkonsum im Allgemeinen und den eigenen im Speziellen versunken. So wird in "Tödliche Häppchen" (Buch: Frauke Hunfeld, Regie: Josh Broecker) nach Frauenfußball und Genitalverstümmelung ein weiteres großes Thema gedreht und gewendet, bis am Ende ein einschläfernder Redlichkeitskrimi rauskommt.
Wenn die Kommissare kurz am Imbiss stoppen, um über den Fall nachzudenken, dann bestellen sie natürlich Hot Dogs mit Tofu-Würstchen. Und als Odenthal mit mechanisch anmutender Begeisterung die vegetarische Brotbeilage lobt, erzielt der Film doch glatt das Gegenteil der gewünschten Wirkung. Da will man sich aus Protest gegen diesen Veggie-Krimi schnell ein Kotelett in die Pfanne hauen.
"Der Chinese", Freitag, 20.15 Uhr, ARD
"Tatort: Tödliche Häppchen", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD