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Jan Böhmermann: Der Humor-Streber

Foto: Britta Pedersen/ dpa

Neue Böhmermann-Show "Neo Magazin" Mit Gina-Lisa aufm Sex-Pony

Mit viel Liebe pflegt Jan Böhmermann seinen Ruf als besserwisserische Brut der Öffentlich-Rechtlichen. Jetzt muss er mit "Neo Magazin" liefern. Zur Premiere seiner neuen ZDFneo-Show erweist sich der 32-Jährige als Humor-Streber und beweist Mut zur schmerzfreien Albernheit.

Es gibt diesen Moment, gleich zu Beginn des "Neo Magazins", in dem der Wahnsinn in den Augen des Moderators aufblitzt. Dieser Moment lässt erahnen: Der Mann meint es ernst, Jan Böhmermann hat wirklich vor, die deutsche Fernsehunterhaltung zu zertrümmern und sie nach seiner Vorstellung neu zusammenzuflicken.

Die Erwartungen an ihn und seine neue Show sind in der Tat so groß wie der Dinosaurier, der das Logo der Sendung ziert. Böhmermann selbst hat einiges dafür getan, um den Hype zu befeuern. Seit Wochen hat er seine Anhänger im Netz mit immer neuen Clips angefixt. Vor allem hat er medienwirksam seinen Status als ungezogene, besserwisserische Brut der Öffentlich-Rechtlichen zementiert. Konsequenterweise lautet der Claim der Show: "Alles andere ist Fernsehen."

Jetzt startet es also, das "Neo Magazin", zu sehen jeden Donnerstagabend auf ZDFneo. Und gleich zu Beginn knüpft Böhmermann an das an, womit er vor ein paar Jahren als Ensemble-Mitglied bei Harald Schmidt aufgefallen ist: mit präzisen und aufwendig gemachten Einspiel-Filmchen.

Zuckerschock wie nach einer Tüte Gummibärchen

Anstatt wie einst bei Schmidt die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht um ein Date zu bitten, besingt er diesmal seine Trennung von Ex-Kollegin Charlotte Roche, bevor er auf Schlittschuhen und im Eiskunstlauf-Dress Pirouetten dreht und sich von Markus Lanz Mut für seine Solo-Karriere zusprechen lässt. Das ist so überdreht, dass man sich danach fühlt wie bei einem Zuckerschock, der einen überkommt, wenn man eine Tüte Gummibärchen auf einmal verschlungen hat.

Vor allem aber macht der Opener deutlich, wie Böhmermann und sein Team ticken: Sie sind detailversessene Fernseh-Freaks - und sie ziehen ihre Ideen knallhart durch, auch wenn die manchmal besser sind als ihre Umsetzung.

Später, als Böhmermann bei der Aufzeichnung in klassischer Late-Night-Manier hinter seinem Schreibtisch sitzt, schilt er das Studiopublikum für dessen angeblichen Gymnasiasten-Humor. Dabei ist Böhmermann selbst der Humor-Streber. Er macht Unterhaltung für Menschen, die das Vokabular der Popkultur beherrschen und den Unterschied zwischen NSA und NSU kennen. Wer "Hashtag" für ein Rauschmittel hält und Cindy aus Marzahn gut findet, wird kaum Freude an der Show haben.

Dem geht es dann vermutlich so ähnlich wie Gina-Lisa Lohfink, bekannt für ihre Teilnahme an Heidi Klums Modelshow sowie für diverse Schönheitsoperationen. Böhmermann hat sie eingeladen, damit sie mit ihm auf eine Pony-Attrappe steigt und so tut, als würde sie mit ihrer besten Freundin (Böhmermann) ihren ersten Sex und andere Teenager-Probleme besprechen. Lohfink ist ziemlich verdutzt, aber sie schlägt sich tapfer, auch wenn der Sketch zwischen Genialität und Peinlichkeit taumelt.

Schmerzfrei albern

Peinlich ist auch ein Moment, in dem die Sendung dem Moderator tatsächlich zu entgleiten droht. Böhmermann hält es für eine lustige Idee, Leute aus dem Publikum mit ihren Facebook-Fotos und sonstigen Internet-Aktivitäten zu konfrontieren - wenn die NSA das ausspäht, kann es das ZDFneo-Publikum ja allemal wissen. Das geht so lange gut, bis die Kamera eine junge Frau einfängt, die scheußliche Bleiglasbilder im Netz verkauft, wie Böhmermann ausführlich erörtert. Die Frau sagt kein Wort und schaut, als würde sie dem Moderator gerne zwischen die Beine treten.

Den Rest der Show spult Böhmermann solide ab: ein paar Gags über Orkan "Christian" und Boris Becker, nettes Geplauder mit Gast Oliver Welke. Die ständigen Sticheleien gegen ARD und ZDF kann Böhmermann auch hier nicht lassen. Sie mögen so etwas wie sein Markenzeichen sein, nerven aber auf Dauer. Die Öffentlich-Rechtlichen sind nun mal so dynamisch wie ein Faultier und halten einen wie Böhmermann in der Karriere-Warteschleife. Schon klar, kapiert.

Als der Abspann läuft, stellt man sich die Frage, welche Art Unterhaltungsshow man da eigentlich gerade gesehen hat. Die Ablöse für Harald Schmidt? Eher nicht. Stand-up ist nicht Böhmermanns größte Stärke - im Gegenzug besitzt er den Mut zur schmerzfreien Albernheit, der Schmidt fehlt.

Noch ist das "Neo Magazin" selbst unentschlossen, was es sein will. Treibt Böhmermann die schräge Inszenierung der Einspieler auf die Spitze, oder setzt er auf authentische Szenen wie die mit der stocksauren Zuschauerin? Jedenfalls gelingt der ersten Folge zweierlei: anders zu sein als so ziemlich alles, was es derzeit im deutschen Fernsehen zu sehen gibt. Und dabei über weite Strecken verdammt gut zu unterhalten.


"Neo Magazin", ZDFneo, donnerstags 23.00 Uhr; ab 20.15 Uhr als Stream in der ZDF-Mediathek

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